Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
Mäuschen spielen.«
Karyl Deryon seufzte. »Es wäre so viel leichter, wenn mehr Menschen die Wahrheit über die Unsterblichen wüssten und nicht alle davon ausgingen, dass sie bloß eine Legende sind.«
»Euer Wunsch wird vielleicht früher erfüllt, als Ihr Euch vorstellen könnt«, prophezeite Tilly mit grimmiger Miene, dann wandte sie sich an Shalimar. »Wie lange haben wir noch, bis die Flut ihren Höchststand erreicht?«
Der alte Mann zuckte die Achseln. »Die Launen der Gezeiten zu bestimmen ist bestenfalls eine ungenaue Wissenschaft, Tilly. Ich kann es dir nicht sagen. Ich schätze, im schlimmsten Fall nur ein paar Monate. Wenn wir Glück haben, noch ein paar Jahre.«
»Dann wollen wir keine Zeit mit müßigem Geschwätz vertun.« Entschieden wandte sie sich an Declan. »Du befolgst Karyls Rat, Declan. Finde heraus, ob wir wirklich die Lakaienmacherin in unserer Mitte haben. Ich setze mich inzwischen mit Markun Far Jisa in Verbindung und überprüfe, ob Medwen noch in Senestra ist.«
»Ich kann die Arks im Tal zurate ziehen«, erbot sich Aleki. »Jemand von ihnen ist Diala vielleicht einmal begegnet und kann sie identifizieren.«
»Das erinnert mich an etwas«, warf Declan ein. »Großvater hat noch ein Rekrutenpärchen für Euch, die könnt Ihr auf der Rückreise gleich mitnehmen.«
»Arks?« Aleki blickte mit erwachendem Interesse zu Shalimar. »Feliden?«
Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Caniden. Die Frau ist noch ziemlich jung. Der Mann hat einen Zellenblock mit dem unsterblichen Prinzen geteilt.«
Alekis Augenbrauen hoben sich erstaunt. »Da kann er uns bestimmt alle mit seinen Lagerfeuergeschichten verzaubern.«
»Er ist sehr gut ausgebildet«, sagte Declan. »Ihr werdet feststellen, dass er zu weit mehr taugt als Geschichtenerzählen, dafür verbürge ich mich.«
»Gut, dann gebe ich Bescheid, wenn ich mich für den Aufbruch nach Summerton rüste. Ich kann sie auf dem Weg durch Lebec mitnehmen.«
»Und da wir gerade beim Thema Aufbruch sind«, verkündete Lord Deryon und erhob sich, »ich muss mich jetzt verabschieden. Es wird Klatsch geben, wenn ich noch länger unter Eurem Dach verweile, Lady Ponting.«
Tilly schmunzelte. »Wie nett, in unserem Alter solchen Klatsch auszulösen, Karyl.«
»Ich kann Euch zum Palast mitnehmen, wenn Ihr es wünscht«, bot Declan an. »Der Regen klingt immer noch recht heftig.«
»Ich danke Euch, Declan, aber ich habe meine eigene Kutsche vor der Tür. Deshalb fürchte ich ja die losen Zungen von Herino. Sollten wir uns nochmals treffen, bevor du nach Lebec zurückkehrst, Shalimar?«
»Ich breche morgen auf.«
»Dann wünsche ich dir alles Gute, bis wir uns wiedersehen, alter Freund. Möge unser nächstes Treffen frohere Kunde bringen.«
Shalimar schüttelte den Kopf. »Die Flut steigt, Karyl, und wir haben bereits zwei Unsterbliche am Hals, die es sich im Palast von Glaeba gemütlich machen. Ich fürchte, die Tage froher Kunde hegen längst weit hinter uns. Nicht bloß für uns, sondern für die ganze Menschheit.«
3
»Früher oder später versuchen wir alle unser Glück mit der Weltherrschaft.«
Der Wirt warf Cayal einen Blick zu und nickte mit routinierter Tiefsinnigkeit. Es war still in der schmuddeligen torlenischen Schankstube. Wahrscheinlich war der Mann geneigt, jedem Gast nach dem Mund zu reden, vermutete Cayal, sogar einem stockbesoffenen. Der Wirt holte einen weiteren bernsteinfarbenen Glasbecher von einem Tropfrost über dem gefliesten Tresen und begann ihn zu polieren. »Meint Ihr?«
Cayal nahm noch einen großen Schluck von dem schweren torlenischen Dunkelbier, aber es trug nichts dazu bei, seine überreizten Sinne abzustumpfen. Die wiederkehrende Flut stieg und fiel nun ständig, die Gezeiten umspülten ihn mal quälend nah, dann wieder so fern, dass Cayal Angst bekam, er könnte für immer die Verbindung verlieren. Es peinigte und verlockte ihn, forderte ihn heraus, sich ganz hineinfallen zu lassen.
Es war die wiederkehrende Flut, die ihn hierher nach Ramahn gebracht hatte, noch vor dem neuen glaebischen Botschafter.
Es war die wiederkehrende Flut, die ihn dazu trieb, sich bewusstlos zu trinken.
Jedenfalls redete er sich das ein. Es klang besser in seinem Kopf als die andere Entschuldigung - dass er einer Frau hierher gefolgt war, an die er nicht zu denken wagte, weil er dabei einen Grund zum Weiterleben entdecken könnte.
Ungeachtet seines Schwures, nie wieder so eine Seereise zu unternehmen, hatte sich der Platz
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