Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
schnell mich meine müden alten Beine tragen. Im Oberen Ryrie gibt es jede Menge Fische, die dringend von mir gefangen werden wollen, und ich habe nicht vor, sie noch einen Augenblick länger warten zu lassen. Du bist wieder da, und alles hier gehört wieder dir, mein junger, unermüdlicher Freund, du hast meinen Segen. Arrangiere du das Gerichtsverfahren und die Hinrichtung eines Unschuldigen ganz nach deinem Gusto.«
Declan konnte Daly keinen Vorwurf machen. Er selbst hätte sich am liebsten auf dem Absatz herumgedreht und wäre auf schnellstem Wege zurück zu Maralyce' Mine geritten, wo er sich nur mit der flüchtigen caelischen Thronerbin, seinem sterbenden Großvater und der griesgrämigen Unsterblichen befassen musste, die über sie wachte.
Natürlich würde er nicht davonlaufen, aber der Gedanke war schon verlockend.
»Hat Mathu gefragt, wo ich bin?«
»Das hat er, als er mich das erste Mal in dieser Angelegenheit aufsuchte. Ich habe ihm die Geschichte aufgetischt, dass du fortgegangen bist, um nach deinem kranken Großvater zu sehen. Hast du ihn übrigens gefunden?«
Declan nickte.
»Nun, dann scheint ja doch immerhin irgendetwas zu gelingen. Der König wird sich freuen, dass du zurück bist. Er dachte wohl, du seist leichter von einer falschen Mordanklage gegen den Fürsten von Lebec zu überzeugen als ich.«
»Du hast dich geweigert?«
»Natürlich hatte ich Bedenken. Aber Diala fuhrt unseren naiven jungen König derzeit am Schwanz spazieren, man kommt kaum zu ihm durch.«
Declan seufzte. Wie konnte sich alles nur so schnell zum Schlechten wenden ? Ist es für die Bruderschaft immer so ?Jahrhundertelang planen wir und machen uns vor, dass wir alles unter Kontrolle haben, und wenn die Gezeiten dann umschlagen, wird uns das ganze Ausmaß unserer Verblendung klar?
»Wo ist Desean jetzt?«
»Im Turmgelass des Kerkers von Herino.«
»Hast du mit ihm gesprochen?«
Daly schüttelte den Kopf. »Ich werde gleich morgen früh im Kerker erwartet, um sein Geständnis aufzunehmen.«
Declan sah Daly entgeistert an. »Er wird ein Geständnis ablegen?«
Der alte Mann nickte. »Wie es scheint, hat unser selbstloser Sodomit vor, seine Verhaftung wie ein echter Gentleman zu nehmen, um seinem guten Freund König Mathu weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Noch ein Grund, warum ich so ungemein froh über deine Rückkehr bin. Befasse du dich bitte mit dieser üblen kleinen Schmierenkomödie. Ich will nichts mehr damit zu tun haben.«
»Ich werde mit ihm reden«, versprach Declan. »Mal sehen, ob ich ihn zur Besinnung bringen kann.«
»Da solltest du besser nicht die Gezeitenfürsten erwähnen«, meinte Daly. »Nicht, wenn du willst, dass er dir zuhört. Deseans Strategie könnte allerdings aufgehen. Wenn er die Morde gesteht, erspart er sich eine Menge Schmerzen und Demütigungen und bekommt immerhin eine schnelle Hinrichtung. Er ist Realist. Er weiß genau, dass es aus dieser Geschichte keinen Ausweg für ihn gibt, also geht er den Weg des geringsten Widerstandes. Ich weiß nicht, ob ich den Mumm hätte, dasselbe zu tun, aber ich habe Stellan Desean immer für etwas Besonderes gehalten. Er ist aus einem besseren Holz geschnitzt als unsere durchschnittlichen adligen Hofschranzen.« Daly kam um den Schreibtisch herum, und Declan erhob sich. »Wenn du schon über ihn Bescheid gewusst hast, warum hast du nie etwas gesagt? Du hättest ihn schon vor Jahren zu Fall bringen können.«
»Warum hätte ich das tun sollen?«
Daly lächelte, und tat dann etwas, was er nur sehr selten tat: Er boxte Declan spielerisch - und äußerst schmerzhaft - gegen den Arm. Genau auf einige der üblen Blutergüsse, die er sich bei dem Erdrutsch in Maralyce' Mine geholt hatte. »Du hättest bei deinem Mädel durchaus Chancen gehabt, wenn sie nicht Desean geheiratet hätte. Und die hast du immer noch, wenn du jetzt deine Trümpfe gut ausspielst.«
»Arkady ist nur eine Freundin«, beharrte Declan. »Und genau darum habe ich ihn nicht bloßgestellt. Außerdem war er immer sehr diskret mit seinen Affären, und soweit ich das beurteilen kann, hat er nie jemandem wehgetan.«
»Nun, das ist ja alles sehr tolerant und verständnisvoll von dir, Declan. Ich hoffe nur, deine Schwäche für die hübsche junge Frau unseres guten Fürsten hat nicht dazu geführt, dass wir den Gezeitenfürsten, die sich Glaebas bemächtigen wollen, direkt in die Hände spielen.« Der alte Mann ging zur Tür, blieb stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um. »Ich
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