Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
beschäftigte, war an Jaxyn, aber es gelang ihm nicht, die richtigen Worte zu finden. Trotz allem, was er seinem einstigen Liebhaber sagen wollte, war das Einzige, was er wirklich wissen wollte: Warum?
»Ich störe Euch doch nicht, oder?«
Obwohl er gehört hatte, wie die Tür des äußeren Wachraums geöffnet wurde, hatte er angenommen, es wäre bloß einer der Wärter, der seine Runde machte. Er rechnete nicht mit Besuch. Stellan sah auf und war überrascht, Declan Hawkes auf der anderen Seite der Gitterstäbe zu sehen.
Er legte die Schreibfeder weg und erhob sich. »Einem Mann in meiner Lage ist jede Unterbrechung willkommen.«
Draußen regnete es. Das leise Getrommel der Regentropfen auf dem Fenstersims blieb ein bloßes Hintergrundgeräusch, doch die Scheiben waren trüb und beschlagen. In dem schummrigen Licht hinter den Gittern war der Gesichtsausdruck von Hawkes schwer zu erkennen. Er musterte den Gefangenen, wirkte aber weder verärgert noch vorwurfsvoll, was Stellan ein wenig wunderte. Dieser Mann, das wusste er, wäre für Arkady durchs Feuer gegangen, und Declan Hawkes musste man nicht erst erklären, was Stellans Niedergang für Arkady bedeutete.
Der Erste Spion warf einen flüchtigen Blick über die Schulter zu den Wachen, die beide an der Außentür standen. »Lasst uns allein.«
Die Feliden gehorchten ohne zu zögern und verließen ihren Posten.
Stellan sah die Wachen fortgehen und fragte sich, ob Hawkes sie weggeschickt hatte, um keine Zeugen zu haben. »Das war unnötig. Es besteht keine Veranlassung, mir Respekt einzuprügeln, Meister Hawkes. Ich bekenne mich schuldig.«
»Schuldig wessen? Verbotener Dämlichkeit?«
Die Abscheu in Hawkes' Stimme überraschte ihn nicht. Declan Hawkes war der Erste Spion des Königs. Man hatte ihm den wahren Grund für Stellans Einkerkerung sicher mitgeteilt.
»Ihr müsst wissen, Declan, ungeachtet meiner Vergehen habe ich Arkady nie Schaden zugefügt. Ich hatte niemals vor, ihr wehzutun.« Er zuckte mit den Schultern und wusste sich nicht anders zu erklären. »Ich kann nichts für das, was ich bin.«
»Es schert mich einen Dreck, was Ihr seid«, sagte der Erste Spion. »Es ist mir auch egal, mit wem Ihr was getan habt. Was mir Sorgen macht, Euer Gnaden, ist, dass Ihr kampflos aufgebt.«
Stellan war verblüfft. »Ihr denkt, ich sollte dies auskämpfen? Was wollt Ihr von mir, Hawkes? Dass ich meinem König Schande mache und ihn dem Gespött der Leute aussetze? Und welche Folgen hätte das für Arkady? Habt Ihr einmal darüber nachgedacht, was mit ihr geschieht, wenn bekannt würde, dass sie nichts als eine Fassade war, um meine Verderbtheit zu decken? Sie würde verbannt, geächtet...«
»Und im Gegensatz dazu wird sie zur Beliebtheitskönigin von Herinos Oberschicht gewählt«, warf der Erste Spion ein, »sobald ihr Gemahl erst einmal gestanden hat, den König, die Königin und einige Dutzend unschuldige Zuschauer ermordet zu haben. Stellt Ihr Euch das so vor?«
Stellan hielt hilflos die Hände in die Luft. Ihm fiel nichts ein, was diesen Mann zufriedengestellt hätte. »Denkt von mir, was Ihr wollt, Meister Hawkes. Ich habe meine Todesart gewählt und beabsichtige, es ehrenhaft hinter mich zu bringen.«
»Bei den Gezeiten ... was seid Ihr doch für ein selbstsüchtiger Drecksack.«
Stellan hatte erwartet, von Declan alle möglichen Sünden vorgeworfen zu bekommen, doch Selbstsucht gehörte nicht dazu. Er war allein durch die bloße Andeutung gekränkt. »Ich würde mein Handeln genau entgegengesetzt einschätzen. Indem ich mich an Entenys und Inalas Ermordung schuldig bekenne, erspare ich meinem König und meiner Familie die Schande, dass herauskommt, was ich bin.«
»Was Ihr seid, Stellan Desean? Ihr seid der einzige Mann im Land mit einer Chance, den Feinden Eures Königs entgegenzutreten. Feinde, die den König loswerden und Glaebas Thron besteigen wollen, sobald alle anderen in Frage kommenden Thronanwärter beseitigt sind.«
Stellan starrte den Ersten Spion an. »Wisst Ihr etwa von solch einem Komplott?«
Declan funkelte ihn an. »Es ist bereits in vollem Gange.«
Stellan schüttelte den Kopf. Er konnte eine derartig weit hergeholte Geschichte nicht glauben. »Ihr redet Euch da etwas ein. Wer würde so etwas tun?«
»Hm ... ich weiß nicht recht«, sagte Declan. »Fangen wir doch bei Eurem Liebhaber an, der Euch an den König verraten hat. Oh, und dann ist da noch Eure Nichte ... wusstet Ihr übrigens, dass sie gar nicht Eure Nicht ist?
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