Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
sich so weit in die Ferne erstreckte, dass sich ihr Ende in der flimmernden Hitze verlor. Arkady und Tiji kletterten hinter Cayal her auf den Gipfel, wo er bereits stand und hinaus auf die Wüste blickte. Als die Frauen ihn erreicht hatten, ignorierte er Tiji, ergriff aber Arkadys Hand und geleitete sie zum Sims des großen Felsens. Er legte seinen Arm um ihre Schulter und zeigte über den Sand, sein Körper eng an ihren gepresst, seine Lippen dicht an ihrem Ohr.
»Seht dort die Abtei vom Weg der Gezeiten.«
Tapfer ignorierte Arkady den Schauder, der ihr die Wirbelsäule entlanglief, als er ihr diese Bekanntmachung direkt ins Ohr sprach - was völlig unnötig war, so dicht, wie er bei ihr stand. Sie konnte die Abtei eben noch ausmachen. Sie lag mehrere Meilen entfernt in den Hang derselben Felsformation gebaut, auf der sie jetzt standen.
Da die Abtei aus dem heimischen Gestein errichtet war, verschmolz sie so mit der umliegenden Landschaft, dass sie beinahe unsichtbar war, wenn man nicht wusste, wo man suchen musste. Arkady blinzelte mit zusammengekniffenen Augen in die grelle Sonne und legte eine Hand als Schirm über die Augen. Ihr fiel auf, dass die Abtei eine beunruhigende Ähnlichkeit mit der zerstörten Festung hatte, in der sie vor Kurzem Zuflucht gesucht hatten.
»Schöpferische Fantasie war nie Bryndens starke Seite«, sagte Cayal. »Er hätte sich längst auf etwas Besseres besinnen müssen als seinen jämmerlichen Weg der Gezeiten, wenn das anders wäre.« Er legte den Arm fester um Arkady und zog sie dicht an sich. »Vorsicht. Du willst doch nicht runterfallen.«
»Magst du seine Religion nicht?«, fragte Arkady und machte sich von ihm los, indem sie von der Kante wegtrat.
Cayal lächelte über ihr Unbehagen, ließ sie aber ohne Widerstand frei. Er hatte seinen Zug ja gemacht. »Es ist genau genommen keine Religion im eigentlichen Sinn. Es ist zu einem Teil Kampfsport, zum anderen Philosophie, und dann noch ein bisschen fauler Zauber, wenn du mich fragst. Aber das Theater lässt die jungen Männer glauben, sie würden Kontrolle über ihr Leben übernehmen, was wohl auch der Grund dafür ist, warum das Ganze sich so lange gehalten hat. Wie du weißt, ist es sehr verführerisch, zu glauben, man könnte sein Schicksal durch Kontrolle beeinflussen.«
»Aber noch verführerischer ist es, andere durch Kontrolle zu beeinflussen«, sagte Tiji, die in die Ferne starrte und tat, als ignorierte sie die beiden.
Arkady wusste nur zu gut, dass sie ein kluges kleines Biest war, dem nichts entging. Cayals ständige Versuche, sie zu berühren, ihr nah zu sein, mit ihr zusammen zu sein ... die letzten Tage wären wesentlich einfacher gewesen, wenn diese finster blickenden, hart urteilenden Reptilienaugen sie nicht so scharf beobachtet hätten.
Andererseits wäre sie der Versuchung bestimmt längst erlegen, wenn Tiji nicht als ihr Gewissen fungiert hätte. Noch schlimmer war die Vorstellung, dass sie dies alles hier vielleicht irgendwie überlebten und eines Tages Declan jede Einzelheit ihres Verhaltens hier erfuhr.
Gezeiten, sie brauchte weder seine verletzte Miene noch seine kritische Missbilligung.
Cayal ahnte nichts von Arkadys innerem Aufruhr. Er starrte die Crasii an. »Es gab einen Grund, warum wir versucht haben, die Arks auszurotten, Tiji, und jedes Mal, wenn du deinen vorlauten Mund aufreißt, fällt er mir wieder ein.«
»Ihr macht mir keine Angst, Suzerain.«
»Vielleicht nicht«, sagte Arkady ungehalten. Das hier war jetzt lange genug gegangen. »Aber euer Gezänk fängt langsam an, mich zu verärgern. Könnten wir uns bitte auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren und unsere persönlichen Differenzen einstweilen beiseitelassen?«
Weder Cayal noch Tiji antworteten ihr, aber immerhin hörten beide vorerst mit den Feindseligkeiten auf, was ein Segen war.
»Was sagen wir, wenn wir da sind?«
»Wir?«, wiederholte Cayal und schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke, du solltest ab jetzt allein weitergehen, Arkady.«
»Und mich mit Euch hier zurücklassen?«, sagte Tiji. »Das denke ich eher nicht.«
»Wenn ich dich loswerden wollte, Gemang, hätte ich dich bloß unter dem Sand liegen lassen müssen und mir damit viel Kummer erspart.«
»Cayal...«
»Ich schlage vor, dass deine kleine Lieblingseidechse nicht mit dir geht, Arkady, weil Brynden Crasii hasst, und er wird sie töten, sobald er sie zu Gesicht bekommt.« Dann lächelte Cayal breit und wandte sich an Tiji. »Wenn ich es mir recht
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