Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
und diplomatisch womöglich verhängnisvollen Gesprächs wirklich erfahren wollte. »Glaubst du, sie lädt dich noch mal ein?«
Das war nicht nur eine müßige Frage. Wenn Arkady die Gunst der kaiserlichen Gemahlin gewann, würde das die Verhandlungen mit dem Kaiser selbst erheblich erleichtern. Es war in diplomatischen Kreisen kein Geheimnis, dass Lady Chintara dicht hinter dem Thron stand und bei den meisten Entscheidungen ihres Mannes die Hände im Spiel hatte.
»Hat sie schon«, teilte Arkady ihm mit. »Morgen. Sie hat mich zum Bad eingeladen.«
Stellan war perplex. Von einer solchen Ehre für eine Fremde hatte er noch nie gehört, und erst recht nicht für eine Fremde, die noch keine Woche im Lande war. Bei den Torlenern war ein gemeinsames Bad so etwas wie in Glaeba ein Abendmahl im kleinen Kreis. Das war engen Freunden vorbehalten und stand für ein entspanntes Beisammensein unter Gleichgesinnten - ein Zeichen großer Gunst. Zwar gab es überall in der Stadt öffentliche Bäder, aber nur die Reichsten leisteten sich ein privates Badehaus in ihrem Serail. Und nur außerordentlich begünstigte Mitglieder des Hofes durften auf eine Einladung hoffen, das kaiserliche Bad mit der kaiserlichen Gemahlin zu teilen.
»Gezeiten, Arkady! Was hast du denn zu ihr gesagt? Ramahn ist voll von Diplomatenfrauen, die für eine solche Gelegenheit töten würden, aber es nicht mal schaffen, dass sie auch nur mit ihnen spricht.«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte seine Frau mit einem Achselzucken. »Ich kann mich gar nicht erinnern, etwas Besonderes gesagt oder getan zu haben. Wobei ...«
»Was?«, drängte er, als sie mitten im Satz abbrach.
Sie schürzte nachdenklich die Lippen. »Als ich ankam, hielt mir eine ihrer Sklavinnen eine Sittenpredigt. Jetzt frage ich mich gerade, ob das eine Art Prüfung war.«
»Was meinst du mit Sittenpredigt?«
»Die Sklavin nahm mich kräftig ins Gebet wegen der Zustände in den glaebischen Elendsvierteln.«
»Wie hast du darauf reagiert?«
Sie überlegte ein Weilchen, bevor sie antwortete. »Ich glaube, dass ich eigentlich gar nicht reagiert habe, jetzt, wo ich darüber nachdenke.
Ich war zu verblüfft von ihrer Standpauke, um auf Anhieb etwas zu entgegnen, und dann tauchte auch schon Lady Chintara auf.«
Stellan versuchte zu enträtseln, was das bedeuten könnte. »Vielleicht gefiel ihr ja gerade dein Mangel an Reaktion?«
»Ich wünschte, ich wüsste es. Was immer es war, wir haben einen herrlichen Tag zusammen verbracht, und sie möchte, dass ich morgen wiederkomme.«
»Du gehst natürlich hin.«
Arkady lächelte. »Vor dem Hintergrund, dass ich hier sonst nicht viel zu tun habe, ist es wohl nicht der schlechteste Zeitvertreib, den lieben langen Tag im kaiserlichen Serail zu faulenzen, während man mich einölt, massiert, parfümiert und überhaupt von Kopf bis Fuß verwöhnt. Wusstest du, dass alle Männer, die im Serail arbeiten, vorher kastriert und geblendet werden?«
»Ich habe Gerüchte gehört.« Stellan zuckte bei dem bloßen Gedanken zusammen. »Was ist eigentlich mit seinen anderen Frauen?«
»Wenn der Kaiser noch andere Frauen irgendwo hortet, habe ich keine Spur von ihnen gesehen, Stellan. Aber Chintara scheint mir auch nicht die Frau, die sich mit einem Käfig voller ambitionierter Nebenbuhlerinnen herumschlägt, egal wie schön er vergoldet ist. Es waren noch ein paar Frauen da, aber sie schienen Dienerinnen zu sein oder Frauen von irgendwelchen Würdenträgern im Palast. Ich schätze mal, falls der Kaiser andere Frauen hatte, bevor Chintara seinen Weg kreuzte, ist sie sie losgeworden. Ich bezweifle, dass sie Konkurrentinnen dulden würde.«
»Vielleicht mag sie dich ja deswegen«, mutmaßte Stellan.
»Weil ich keine Konkurrenz bin?«
Er nickte, nahm einen Schluck Wein und wünschte, dieser wäre gekühlt. »Du bist aus der Fremde und verheiratet. Noch besser, du bist mit jemandem verheiratet, über den der Kaiser keine direkte Macht hat. Selbst wenn er ein Auge auf dich wirft, kann er mir nicht wie einem seiner Untertanen einfach befehlen, dich ihm zu überlassen.«
»Wäre das denn überhaupt denkbar?«, fragte Arkady. »Ehebruch ist hier doch ein Kapitalverbrechen. Oder?«
»Der Kaiser steht über dem Gesetz.«
»Es ist sowieso eine akademische Frage«, führte Arkady aus.
»Schließlich kann mich der Kaiser gar nicht lange genug sehen, um ein Auge auf mich zu werfen, da ich dazu verdonnert bin, in einem Bettlaken mit Gucklöchern herumzulaufen. Das
Weitere Kostenlose Bücher