Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
wenn sie Diala war -die das Tarot die Hohepriesterin nannte -, war sie doch vergleichsweise machtlos. Sie konnte mit der Macht der Gezeiten heilen - was natürlich hieß, dass sie mit der gleichen Effizienz auch zu töten verstand - und räumlich begrenzte Störungen verursachen, doch das war kaum mit den globalen Verwüstungen zu vergleichen, die Cayal oder Jaxyn anrichten konnten. Ihr Komplize allerdings war ein gänzlich anderes Kaliber. Jaxyn, der Fürst der Askese (wiewohl alles andere als ein Asket), war einer der neun unsterblichen Gezeitenfürsten - ein Wesen, das aus einer Laune heraus imstande war, ganz Glaeba zu vernichten.
Und dazu konnte es leicht kommen.
Die Gezeitenfürsten hatten in der Vergangenheit ganze Zivilisationen zerstört. Oft nur wegen einer kleinen Kränkung.
Vertieft in diese düsteren Aussichten stellte Declan erstaunt fest, dass er bereits das Ende des langen Korridors im Ostflügel erreicht hatte, wo sich Lord Deryons Privatgemächer befanden. Die Sicherheitsposten vor der Tür erkannten den Ersten Spion und ließen ihn ohne Fragen durch. Die Wachhabenden fanden nichts Ungewöhnliches an einem so späten Treffen der beiden Amtsträger, die nach dem König zweifellos die mächtigsten Männer im Lande waren. Declan erwiderte nickend den Gruß der Posten und schloss die Tür hinter sich. Sein suchender Blick fand den Sekretär des Königs an seinem Schreibtisch, wo er leise vor sich hin murmelte und sich durch einen Stapel offiziell aussehender Dokumente kämpfte, die er zu unterzeichnen hatte. Der alte Mann überprüfte jedes der Papiere kurz, bevor er seinen Namen daruntersetzte, und legte es dann auf einen Stapel, der etwa ebenso hoch war wie der, den er abtrug.
Beim Geräusch der sich schließenden Tür sah er auf und warf erleichtert seine Feder auf den Tisch. »Gezeiten, bin ich froh, dich zu sehen, Declan.«
»Gibt es ein Problem?«
»Nichts Neues«, antwortete der alte Mann. »Ich bin nur dankbar für jeden Grund, eine Pause zu machen. Hast du denn Neuigkeiten über den Aufenthaltsort des unsterblichen Prinzen?«
Declan schüttelte den Kopf und überquerte den schönen handgeknüpften Teppich, um sich neben dem Schreibtisch niederzulassen. Es war ein lauer Abend, trotzdem hatte Lord Deryon ein Feuer anzünden lassen. Sein Alter machte ihn empfindlicher für Kälte.
Während er sich auf den Stuhl fallen ließ, schüttelte Declan erneut den Kopf. »Keine Spur von ihm. Mag sein, dass er sich noch aus dem verschütteten Stollen oben in den Shevronbergen ausgraben muss.« Im Grunde wäre Declan sehr glücklich, wenn sie nie wieder etwas vom unsterblichen Prinzen hörten. Natürlich wusste er, wie unwahrscheinlich das war, zumal jetzt, da die Gezeiten wieder stiegen.
Auch wenn Arkady keinerlei Andeutungen gemacht hatte, beunruhigte Declan die Frage, was sich zwischen Cayal und der Fürstin von Lebec abgespielt haben mochte, als sie seine Gefangene war. Den Gezeiten sei Dank, dass sie gegenwärtig sicher in Ramahn weilte. Falls der unsterbliche Prinz hierher zurückkehrte, war wenigstens Arkady außerhalb der Gefahrenzone.
Declan streckte seine langen Beine von sich, verschränkte die Arme und machte ein bedrücktes Gesicht. »Eigentlich hatte ich gehofft, du hättest Neuigkeiten für mich.«
»Was die wahre Identität der neuen Kronprinzgemahlin angeht, so bin ich leider kein Stück weitergekommen - wenn es das ist, was du wissen willst«, erklärte Lord Deryon. Er klang müde, und die tiefen Falten in seinem Gesicht zeigten jedes seiner über siebzig Jahre. »Es ist schwer, jemanden in ihre Nähe zu bringen. Alle ihre Dienstboten sind Crasii, somit kann keiner von ihnen etwas Vertrauliches ausplaudern, selbst wenn er es wollte.«
»Hast du mit Mathu gesprochen?«
Die Augenbrauen des alten Mannes verknitterten sich. »Um ihm was genau zu sagen, Declan? Dass wir seine siebzehnjährige Braut, die ihn restlos betört hat, im Verdacht haben, eine zehntausendjährige Unsterbliche zu sein, die scharf auf den Thron seines Vaters ist?«
Declan gestattete sich ein dünnes Lächeln. »Das klingt vielleicht doch ein bisschen abwegig, das gebe ich zu. Was ist mit Jaxyn?«
»Lord Aranville hat es sich recht gemütlich gemacht«, bekundete der Sekretär. »Er baut seinen Stammplatz an Prinzessin Kylias Seite immer weiter aus. Und er ist allmählich auch viel zu vertraulich mit Prinz Mathu.«
»Das könnte sich als großes Problem erweisen«, grübelte Declan.
»Ach! Ich habe auch
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