Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
Nase leuchtend rot, und seine Finger lugten aus fingerlosen Handschuhen hervor. Seine unerwartete Besucherin behandelte er mit auffallender Beflissenheit, was vermuten ließ, dass Elyssa diese Ausgrabung entweder finanzierte oder auf andere Weise unterstützte. Zumindest war das die einzige Erklärung, die Warlock dafür einfiel, dass sie so überschwänglich begrüßt wurde.
Was fährst du wohl jetzt wieder im Schilde, frage ich mich 1 ?
»Ich wollte nicht länger warten, Professor Fawk. Was habt Ihr also vorzuweisen?«
»Seid Ihr an etwas Bestimmtem interessiert, Mylady?«
»Ich bin an allem interessiert, was Ihr gefunden habt.«
Professor Fawk eilte voraus und winkte ihnen zu folgen. Es ging tiefer in den großen Zeltpavillon hinein, wo die Tische mit Artefakten überhäuft waren. Die Funde von der Ausgrabungsstelle, vermutete Warlock.
»Wir haben zweiundzwanzig Schädel gezählt«, erläuterte der Professor seiner Besucherin, während sie an den Tischen entlangschritt, gelegentlich stehen blieb und einen Gegenstand, der sie interessierte, etwas genauer in Augenschein nahm. »Der Größe nach rangieren sie von Kindern bis zu Erwachsenen. Wir vermuten, dass es sich um eine Art Massengrab handelt, wobei es den Anschein hat, dass einige der Körper zusammengebunden waren, was äußerst faszinierend ist.«
»Vielleicht haben sie Massenselbstmord begangen«, schlug Elyssa vor, ohne von der kaputten Holzpuppe aufzusehen, die ihr Interesse geweckt hatte. »Sie könnten alle gemeinsam von der Klippe gesprungen sein.«
Der Professor bedachte Elyssa mit einem gönnerhaften Lächeln, was sie jedoch – zu seinem Glück – nicht mitbekam. »Mylady, derlei Spekulationen bleiben am besten den Experten überlassen.«
Elyssa legte die Holzpuppe zurück und nahm eine kleine hölzerne Scheibe von einem Türmchen aus zueinander passenden Scheiben. Aus der Entfernung dachte Warlock erst, es handelte sich um alte Münzen, aber dann erkannte er, dass es Knöpfe waren – die Knöpfe eines vollständig verrotteten, nicht mehr existierenden Hemdes, das einem vor langer Zeit gestorbenen Mann gehört haben musste.
»Habt Ihr irgendwelche religiösen Artefakte gefunden?«
Der Professor wiegte den Kopf. »Ich weiß nicht genau, was Ihr als religiöses Artefakt bezeichnen würdet, Mylady.«
»Ikonen, Statuen von Gezeitenfürsten …«
»Nichts dergleichen, Mylady, bis auf einen alten SatzTarotkarten.«
Elyssas Kopf fuhr herum. »Ihr habt die Karten gefunden? Zeigt sie mir.«
Warlock drängte sich der Verdacht auf, dass sie genau dies zu hören gehofft hatte. Tatsächlich wirkte sie so aufgeregt, dass er sich fragte, ob das nicht der eigentliche Zweck der ganzen Expedition war. Wenn Elyssa die Schirmherrin dieser Ausgrabung war, sie gar finanzierte, dann war es sehr wahrscheinlich, dass sie in ihrem Auftrag nach etwas suchten.
Woher hatte sie gewusst, wo man suchen musste?
Wegen des Leichenhaufens am Fuß der Klippe? Hatte sie einen Grund, anzunehmen, es handele sich nicht um ein Massengrab, sondern um den Schauplatz eines Massenselbstmords?
Es war gut möglich, machte Warlock sich mit bleischwerem Gemüt klar, dass Elyssa deswegen ziemlich genau wusste, wo die Leichen zu finden waren, weil sie selbst sie dorthin befördert hatte.
Der glaebische Professor führte sie zu einem anderen Tisch im hinteren Teil des Zeltpavillons. Dort lag ein großes Kartendeck. Obwohl sie an den Kanten verwittert und vom Alter ausgeblichen waren, hatte das jetzt halb zerfallene Ledermäppchen, das danebenlag, die Karten offenbar vor ernsterer Beschädigung geschützt. Damit Elyssa besser sehen konnte, schob der Professor den jungen Mann beiseite, der damit beschäftigt war, die Karten langsam und vorsichtig voneinander zu lösen.
»Das ist es?«
»Ja, Mylady.«
»Wie kommt es, dass sie nach all der Zeit so unversehrt sind?«
»Es gibt am Fuß der Klippe eine kleine Kuhle, Mylady«, erklärte der junge Assistent. »Offenbar hat ziemlich kurz, nachdem die Körper deponiert wurden, ein Steinschlag sie dort eingeschlossen und versiegelt.«
»Das war ein höchst glücklicher Umstand für uns, Mylady«, fügte Fawk hinzu. »Unter weniger günstigen Bedingungen hätte man nicht erwarten dürfen, dass etwas aus Papier Gemachtes, nur in Leder eingewickelt, eine so lange Zeitspanne unbeschadet übersteht.«
»Ist es vollständig?«, fragte sie und betrachtete die Karten ehrfurchtsvoll.
»Soweit wir das sagen können.«
Warlock versuchte ihr
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