Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
Besitzer ausgewählt zu werden wäre sicherer als die Anonymität eines Hurenhauses.«
»Ja, rückblickend betrachtet war das wohl eine ziemlich blöde Idee.«
»Aber immerhin eine noble«, sagte Azquil wohlwollend, als hätte er doch noch etwas Ehrenwertes im Charakter dieser Frau entdeckt, die seiner Meinung nach bis jetzt nur Ärger verursacht hatte. »Vielleicht irregeleitet und schlecht informiert, doch ich vermute, ich hätte an Eurer Stelle ähnlich gehandelt.«
»Du wärst nie an meiner Stelle, Azquil. Deine ganze Art hat es geschafft, sich für über tausend Jahre hier im Sumpfland zu verbergen. Ihr Echsen seid einfach zu klug, um euch so erwischen zu lassen wie ich.«
»Ich wurde erwischt«, erinnerte Tiji sie, ein wenig säuerlich, weil Azquil Arkady so anlächelte.
»Dich haben sie als kleines Kind betäubt und entfuhrt«, sagte Azquil und legte den Arm um sie. »Das zählt nicht.« Tiji spürte, wie ihre Haut sichtbar flimmerte, als er sie berührte, aber sie rückte nicht von ihm ab. Er wandte sich wieder Arkady zu und bemerkte: »Abgesehen davon hatten wir unsterbliche Hilfe, um unentdeckt zu bleiben.«
»Soweit ich das sagen kann, hattet ihr die Unterstützung der einzigen drei Unsterblichen, die noch einen Funken Menschlichkeit in sich haben«, sagte Arkady. »Wenn Cydnes Familie hier eintrifft, ist es jedoch nicht die Hilfe der Trinität, auf die ihr baut. Ihr verlasst euch auf einen Unsterblichen, der selbst an guten Tagen lebensmüde und unmoralisch ist, und der zweite hat noch nicht einmal verstanden, was das alles heißt.«
»Aber betrachtet Ihr denn nicht diese beiden Unsterblichen als Eure Freunde?«, fragte Azquil.
Arkady zögerte und nickte dann widerwillig. »Doch, ich schätze schon.«
»Dann bauen wir also auf Eure Freunde, Arkady, und wollen hoffen, Ihr bedeutet ihnen ebenso viel wie sie Euch.«
Arkady fiel dazu wohl nichts weiter ein, also wandte sie sich dem Topf auf dem Herd zu und rührte im Gemüse. Das Gemüse, argwöhnte Tiji, brauchte gar nicht umgerührt zu werden, aber so konnte sie wenigstens woanders hinsehen.
Tiji wiederum wäre noch einiges eingefallen, was sie über Declan und Cayal hätte sagen können. Aber sie entschied sich lieber für vornehmes Schweigen, denn nichts davon hätte wirklich Hilfreiches zu dem Gespräch beigetragen.
50
»Wie hat sich das alles verändert«, sagte Elyssa und sah sich mit gerunzelter Stirn an dem Steilhang um. »Die Bäume sehen ganz anders aus. Gezeiten, bis man die Knochen gefunden hat, war ich überhaupt nicht sicher, ob dies wirklich die richtige Stelle ist.«
Warlock wunderte sich über den seltsamen Ort, den Elyssa sich für ihr Picknick ausgesucht hatte. Noch vor dem Morgengrauen waren sie im Palast aufgebrochen, um hierherzukommen, und jetzt war es bereits nach Mittag. Sie konnten von Glück sagen, wenn sie vor Mitternacht wieder in Cycrane waren.
Als sie endlich an der Totenklippe angekommen waren, fanden sie dort ein Szenario vor, das Warlock sehr nach archäologischen Ausgrabungen aussah. Oben auf der Klippe war der Schnee beiseitegeräumt und eine Reihe großer Zelte aufgestellt, wohl als Unterkunft für die kleine, aber emsige Mannschaft. Linker Hand stand etwas, das aussah wie ein Fördergerüst und ein Stück über die Klippe ragte. Daran war mit Seilen ein kleiner Käfig befestigt, der sich bis zu den Felsen in ungefähr vierhundert Fuß Tiefe absenken ließ. Warlock zitterte in der eisigen Luft und folgte Elyssa zum größten Zelt, wo die Kohlenpfannen kaum dazu beitrugen, es etwas wärmer zu machen. Hier war aus verwitterten und ausgeblichenen Knochen ein kleiner Berg aufgehäuft. Eine ganze Anzahl ernst dreinblickender junger Männer versuchte augenscheinlich, die Skelette wieder zusammenzufügen.
»Lady Alyssa!«
Elyssa blieb stehen und wartete, bis der Mann, der gerufen hatte, zu ihr aufschloss. Als er es geschafft hatte, keuchte er vor Anstrengung, verbeugte sich respektvoll und strahlte sie an. »Eure Anwesenheit ehrt uns, Mylady, aber ehrlich gesagt bestand keine Veranlassung, den weiten Weg auf sich zu nehmen. Ich hatte selbst vor, Euch Anfang nächsten Monats in Cycrane aufzusuchen.«
Dies war dann wohl der verantwortliche Leiter. Warlock war ein wenig erstaunt, dass er Glaebaner war und nicht aus Caelum. Mit Interesse sah sich Warlock in dem Lager um, bis der Glaebaner – ein zur Glatze neigender Mann von Ende fünfzig – wieder zu Atem kam. Er war gegen die Kälte dick eingepackt, die
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