Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
sagte Cayal und nahm seine Hand von Declans Schulter, als er ihn sich entspannen sah. »Bleib keinen Augenblick länger in den Gezeiten, als du musst.«
»Wer hat diese Regel aufgestellt?«
»Ich schätze mal, der zweite Unsterbliche, der die Gezeiten je zu spüren bekam.«
»Wieso der zweite?«
»Weil er gesehen hat, was sie mit dem ersten angerichtet haben.«
Declan sah Cayal an und vermerkte etwas überrascht, dass der nicht zu scherzen schien.
»Du fühlst dich jetzt hundsmiserabel, stimmt’s?«
Unwillig, gerade Cayal gegenüber seine Schwäche zugeben zu müssen, nickte Declan. »Es ging mir schon besser.«
»Und das Beste, das du jemals verspüren wirst, ist das Gezeitenschwimmen«, warnte Cayal. »Lerne es, mit dieser Enttäuschung zu leben. Und lerne damit umgehen. Du wirst irgendwann damit zurechtkommen, aber bis dahin wird sie dir ziemlich heftig zusetzen.«
»Warum sollte das deine Sorge sein?«
»Ich hab dir gesagt, Ratz, ich brauche deine Kraft, und ich will, dass du auch eine Ahnung davon hast, wie mit ihr umzugehen ist.«
»Ach ja, ich hatte für einen Augenblick deine selbstlosen Absichten vergessen.«
Sie standen da und sahen dem Schiff beim Ablegen zu, und ihr Gespräch stand in seltsamem Widerspruch zu dem, was um sie herum vorging. Wird es wohl ab jetzt immer so sein? Geben wir einfach vor, normal zu sein, während die Welt immer mehr in den Hintergrund tritt? Muss ich immerzu gegen den Drang ankämpfen, in die Gezeiten zu tauchen und nie wieder umzukehren? Dieses nervöse, rastlose Mangelgefühl, das nur mit den Gezeiten ausgefüllt werden kann? Gezeiten, meine Haut brennt wie Feuer …
Nach einer Weile sagte Cayal abschließend: »Du wirst noch mit aller Härte dahinterkommen, Ratz, dass es letztlich niemanden gibt, der auf dich aufpassen kann, außer dir selbst. Selbstlosigkeit ist etwas für Sterbliche, die diese Lektion niemals lernen müssen.«
»Ist Zynismus auch eine Nebenwirkung der Gezeiten?«
»Nein, das kommt davon, wenn man zu lange lebt.«
»Also kann ich mich darauf auch noch freuen? Die Ewigkeit klingt für mich allmählich wie ein einziges großes Vergnügen. Ich kann es kaum erwarten.«
»Das brauchst du auch nicht, wenn Lukys Erfolg hat«, sagte Cayal mit einem eigenartigen Ton in der Stimme, der Declan eine Ahnung von der verzweifelten Sehnsucht nach Selbstmord gab, die diesen Mann trieb. »Warum gehst du nicht zurück zu den anderen?«, sagte er gleich darauf. Der Augenblick der Schwäche war verflogen, bevor Declan sie richtig hatte wahrnehmen können. »Ich bin sicher, Medwen und Ambria alles noch mal zu erklären wird seine Zeit brauchen. Bloß gut, dass du dich mit Arkady wieder verträgst.«
»Wieso das?«
»Weil, falls du mir irgendwie ähnlich bist, Ratz, dann ist dies der schnellste Weg, das zu kurieren, was dich jetzt plagt: Such dir eine Frau – am besten eine willige, das fand ich immer besser, als sie mit Gewalt zu nehmen – und vertraue deinen Fall ihrer warmen und verständnisvollen Umarmung an.« Cayal schmunzelte unvermittelt. »Ich frage mich, ob Medwen sich vielleicht jetzt gerade wegen ihrer Befreiung ein wenig dankbar fühlt.«
Declan schüttelte den Kopf und spielte kurz mit der müßigen Hoffnung, es könnte etwas bringen, Cayals Kopf zu einem blutigen Brei zu zerschmettern. »Du bist wirklich über alle Maßen geschmacklos, Cayal.«
Der unsterbliche Prinz lächelte. Er schien sich aus Declans unmaßgeblicher Meinung nichts zu machen. »Aber ich habe traurigerweise recht, Ratz. Das gehört nun mal zu den Dingen, um die niemand herumkommt, der die Gezeiten lenkt. Es gibt einen Grund, verstehst du, warum keiner von uns etwas mit Elyssa zu tun haben will, wenn sie in den Gezeiten geschwommen ist.«
Declan schüttelte den Kopf. »Ich schätze, wenn ich nur einen Funken Verstand hätte, würde ich jetzt an Bord dieses Schiffs gehen und mich so weit von dir und deiner verrückten Art entfernen, wie es nur geht.«
Cayal sah ihn an, seine Miene wieder düster. »Nur dass wir jetzt deine verrückte Art sind, Ratz. Und dem kannst du niemals entfliehen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich hab’s probiert.«
In einem Punkt hatte Cayal auf jeden Fall recht: Declan hatte überhaupt keine Lust auf eine weitere Wie-kommt-es-dass-du-unsterblich-bist-Debatte, diesmal mit Medwen und Ambria. Zu seinem Glück ersparte ihm das Arkady – wenigstens vorerst. Sobald das letzte Schiff der Flotte außer Sicht war, machte er sich mit Cayal auf den
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