Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
den Kopf. »Lass uns weitergehen.«
Sie fiel neben ihm wieder in seinen Schritt ein, als die ersten Regentropfen auf die breiten Blätter der Büsche am Wegesrand fielen. »Wovon hat Cayal da vorhin geredet?«
»Was meinst du?«
»Er erwähnte eine Abmachung.«
»Er will, dass ich mit ihm nach Jelidien gehe. Er meint wohl, dass ich ihm zum Sterben verhelfen kann.«
»Und, kannst du?«
»Ich hätte nichts dagegen, es zu probieren.«
Arkady fand das anscheinend nicht amüsant. Sie blieb wieder stehen, während einzelne große Regentropfen auf die sie umgebende Vegetation fielen, mit einem lauten ploppenden Geräusch auf den glänzenden Blättern landeten und dann zu Boden perlten. »Du solltest dich nicht mit Cayal einlassen, Declan. Er ist gefährlich.«
»Das sagst du mir?«
»Ich weiß, dass dies alles hart für dich sein muss«, sagte sie und streckte die Hand aus, um ihm einen versprengten Regentropfen vom Gesicht zu wischen. »Aber du hast Zeit, Declan, du kannst einen Weg finden, damit umzugehen. Ich glaube nicht, dass du irgendwas überstürzen solltest. Schon gar nicht, wenn es mit Cayal zu tun hat.«
Er packte rasch ihre Hand, nicht sicher, ob er noch lange würde an sich halten können, wenn sie ihn so berührte. »Um wen machst du dir denn nun wirklich Sorgen? Um mich oder um Cayal?«
Sie runzelte die Stirn. »Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, die Vergangenheit ruhen zu lassen?«
Er ließ ihre Hand los und holte tief Luft. »Ich weiß. Tut mir leid. Ich bin nur gerade … etwas neben der Spur. Es hat etwas mit den Nachwehen des Gezeitenschwimmens zu tun. Ich hab das Gefühl, dass meine Haut brennt. Von innen.«
Wie um seine Bemerkung zu unterstreichen, rumpelte es über ihnen erneut, und dann ging es richtig los. Der Wolkenbruch durchnässte sie in wenigen Augenblicken. Arkady quiekte unwillkürlich und drückte sich Schutz suchend an ihn. Declan zog sie an sich, der edle, bewusste Teil seines Geistes nur darauf aus, sie vor dem Regen zu schützen. Aber dann war da noch ein anderer Teil – etwas in ihm, das zu Leben erwacht war und nun im Einklang mit den Überbleibseln der Gezeiten sang, ein Teil seiner selbst, aber von etwas viel Ursprünglicherem getrieben, etwas, das mehr aus den Eingeweiden kam. Etwas, das sich durch die Fassade der Zivilisiertheit nicht einfach in Schach halten ließ.
Er küsste sie, und sie gab sich dem ohne Zögern hin, wobei Declan halb fürchtete, dass es auch keinen Unterschied gemacht hätte, wenn sie Widerstand geleistet hätte. Der Regen prasselte auf sie herab, aber Declan bemerkte es kaum. Er schob sie rückwärts vom Weg, bis der Stamm einer schlanken Palme sie aufhielt, und trank die Regentropfen von ihrer Haut wie ein Verdurstender. Falls sie etwas sagte, nahm er es nicht wahr. Sie stöhnte, als er das elende Gewand von ihren Schultern riss, doch er wusste nicht, ob vor Lust oder vor Schmerz, und er erschrak ein bisschen, als er merkte, dass ihm das auch gleichgültig war. Obwohl er nicht mehr an den Gezeiten hing, hatte die Magie ihn gezeichnet. Sie hatte ihn innerlich aufgescheuert und rohes Fleisch hinterlassen, dessen Brennen nur gelindert werden konnte durch vollständiges Eintauchen in etwas, das keines Gedankens bedurfte, keiner bewussten Anstrengung. Irgendwann schrie Arkady auf. Er war sich nicht sicher, warum. Vielleicht hatte er ihr wehgetan, oder sie war in der Ekstase ihrer Vereinigung aufgegangen.
Declan wusste den Unterschied nicht mehr.
Erst etwas später, als er sich erschöpft und ausgelaugt endlich wieder unter Kontrolle hatte, fing er an, darüber nachzudenken. Zeit zu begreifen, was er getan hatte.
Von Reue und Selbstekel erfüllt, ließ Declan Arkady los und trat von dem Baum zurück. Arkady rutschte am Stamm herunter und starrte ihn mit schwer zu deutender Miene an. Ihr Gewand war zerfetzt, ihre Brüste entblößt, der Rock über ihre Hüften geknautscht.
»Gezeiten Arkady, es tut mir so leid …«
Sie lächelte schwach und begann ihre Kleidung zu ordnen. »Wofür genau entschuldigst du dich, Declan Hawkes?«
Declan war etwas überrascht, dass sie nicht zornig schien. »Ich wollte nicht …«
»Und ob du wolltest.«
Ein peinliches Schweigen folgte ihren Worten, die halb nach sachlicher Feststellung, halb nach Vorwurf klangen. Er fragte sich, ob er schon wieder alles zwischen ihnen zerstört hatte, doch es schien, dass sie zu mehr Vergebung fähig war, als er verdient hatte. Vielleicht, dachte er, gab es ein paar
Weitere Kostenlose Bücher