Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
rechtzeitig bedacht, dass Stellan Desean nicht nur ein Mann mit einem Geheimnis war, und auch nicht bloß ein Mann mit Anspruch auf einen Thron und mit einer sehr begehrenswerten Gemahlin. Er war ein versierter Diplomat und ein brillanter politischer Stratege dazu.
Wie brillant er war, wurde Jaxyn gerade erst klar.
Natürlich blieb auch noch die Frage zu klären, ob Hawkes wirklich, tot war oder ebenfalls Teil dieses Komplotts. Da sie beide im selben Brand umgekommen waren – zumindest hatte man das bislang angenommen –, war es nicht undenkbar, dass Hawkes die Feuersbrunst ebenso überlebt hatte wie Stellan …
Aber was sollte den Ersten Spion des Königs – immerhin ein Mann mit glänzender Zukunft im Dienst des neuen Herrschers -dazu gebracht haben, gemeinsam mit Stellan Desean ein Komplott zu schmieden, das in jedermanns Augen Hochverrat bedeutete? Zumal die beiden allem Anschein nach nicht viel füreinander übrig hatten. Immerhin hatte Stellan Declan Hawkes die Frau weggeschnappt, indem er ihr Reichtum, einen Titel und einen Ausweg aus den Elendsvierteln von Lebec bot.
Nein, entschied Jaxyn. Genau diese Konstellation ist der Beleg, dass Hawkes tot ist. Selbst wenn er geneigt gewesen sein sollte, die Krone zu verraten, hätte er sich nie an etwas beteiligt, das es erforderlich machte, sich auf Stellan Desean zu verlassen. Schon aus Prinzip.
Wobei mir einfällt … wo steckt eigentlich die reizende Arkady?
»Wusstest du davon?«
Diala überprüfte rasch die Vorhalle, um sicherzugehen, dass abgesehen von den Crasii niemand im Palast beobachtet hatte, wie Jaxyn ihr Schlafgemach betrat. Dann schloss sie die Tür, lehnte sich dagegen und funkelte ihn an. »Natürlich nicht. Gezeiten, Jaxyn! Du hast doch mit ihm geschlafen. Eigentlich hättest du wissen müssen, wozu er fähig ist.«
»Für rachsüchtig hätte ich ihn nie gehalten.«
»Meinst du, er hat einen anderen Grund für das, was er tut?«
Sie stieß sich von der Tür ab und ging zum Fenster, um auf den nebelverschleierten See zu schauen. Das Sonnenlicht von vorhin war verschwunden, verdeckt durch schwere Wolken, die einen heftigen Regen über die Großen Seen bringen würden.
Jaxyn zuckte die Achseln und griff nach dem Schürhaken, um das Feuer im Kamin anzufachen. »Welchen Grund könnte es denn sonst geben?«
»Vielleicht weiß er, wer wir sind? Was wir sind?«
Er schüttelte den Kopf und grub die rot glühenden Kohlen aus der Asche. »Arkady hat versucht, ihn zu überzeugen, dass Cayal unsterblich ist, aber er hat sie nur ausgelacht. Nein, hier geht es darum, mit mir abzurechnen, und mit Mathu, weil wir ihm den Mord am König angehängt haben. Er glaubt immer noch, du bist seine Nichte und ich war sein Liebhaber, Punkt. Und außerdem, wenn Stellan sich der Gnade der caelischen Königin ausliefert, weil er fürchtet, dass die Gezeitenfürsten Glaeba übernehmen wollen, dann müsste er ja auch wissen, dass die Kaiserin über die Fünf Reiche und ihre erbärmliche Sippschaft sich dort eingenistet haben – und auch, wer und was sie sind. Woher soll er davon wissen? Wieso sollte er auch nur einen Verdacht haben?«
Sie wandte sich ihm zu, die Arme vor der Brust verschränkt. »Die geheime Bruderschaft könnte es wissen.«
»Die Bruderschaft des Tarot?«, sagte er spöttisch. »Gezeiten noch mal! Die sind noch toter als Cayals Tochter.«
»Bist du dir da sicher?«
Jaxyn zuckte die Achseln, hob ein kleines Holzscheit auf und warf es ins Feuer, sodass es einen Funkenregen gab. »Wir haben fast tausend Jahre nichts von ihnen gesehen oder gehört. Es ist mehr als naheliegend, dass es sie nicht mehr gibt.«
»Sie haben schon früher Weltuntergänge überlebt«, warnte Diala. »Sterbliche können höchst einfallsreich sein.«
»Was Stellan Desean gerade sehr schön bewiesen hat.«
»Also, was machen wir jetzt?«
Jaxyn warf den Schürhaken beiseite und wandte sich Diala zu. »Wir rüsten uns für den Krieg. Und lassen Mathu vorerst auf dem Thron.«
»Ich dachte, du wolltest ihn loswerden?«
»Ja, als es sonst keinen legitimen Erben für Glaebas Thron gab«, sagte er. »Aber Stellan ist der Nächste in der Erbfolge, und alle wissen das. Wenn erst bekannt wird, dass er noch lebt, richten sich die Augen aller Unzufriedenen in ganz Glaeba auf ihn. Und es wäre dumm von uns, zu unterschätzen, wie viele königstreue Glaebaner ihn bedingungslos unterstützen würden.«
»Wenn Mathu stirbt, werde ich Königin.«
»Spätestens dann kann Stellan
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