Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
daran zu erinnern, wer der Mann war, dem er jetzt so bitter vorwarf, ihn bezüglich der Entführung von Prinzessin Nyah zu verleumden: nämlich derselbe Mann, den er vor gar nicht allzu langer Zeit von seinem Ersten Spion mit fingierten Anschuldigungen hatte einsperren lassen. »Vermutlich, Majestät, hat sich Stellan dieselbe Frage gestellt, als er auf der Anklagebank all den Zeugen lauschte, die auf Euer Geheiß einen Meineid leisteten, um ihn eines Verbrechens zu überführen, das er, wie wir alle wissen, nicht begangen hat.«
»Das war nicht meine Idee! Ihr habt gesagt, es wäre besser, ihn wegen Mordes anzuklagen, als ihn der Sodomie zu beschuldigen«, warf Mathu Jaxyn vor. »Ihr habt behauptet, das würde die Familie vor einem Skandal schützen.«
»Und das hätte es auch, wenn Euer Cousin nur den Anstand gehabt hätte, tot zu bleiben«, parierte Jaxyn. »Mein Plan sah vor, ihn hinrichten zu lassen. Erinnert Ihr Euch? Wären wir meinem Plan gefolgt, hätten wir jetzt nicht dieses Problem.«
»Was werden sie jetzt wohl machen?«, fragte Diala. Ihre Frage bezog sich natürlich nicht so sehr auf die Königin von Caelum. Sie wussten beide, dass die Kaiserin über die Fünf Reiche hinter allem steckte. Stellan hatte ihren Widersachern direkt in die Hände gespielt, als er ihnen einen legitimen Vorwand lieferte, jetzt einen Krieg anzufangen, bevor die kosmische Flut den Gipfel erreichte. Eine Schlacht, die erst ausgetragen wurde, wenn alle Gezeitenfürsten ihre gesamte Macht einsetzen konnten, diente niemandem und würde höchstwahrscheinlich alle Königreiche, um die man gerade stritt, dem Erdboden gleichmachen.
Aber ein guter altmodischer Krieg … wo man menschliche Soldaten und Crasii in ein Blutbad schicken konnte …
Nun, das würde letztlich zum selben Ergebnis fuhren, aber immerhin bliebe das Königreich des Siegers unzerstört, was man in vollen Zügen auskosten konnte, wenn die Gezeiten ihren Höchststand erreichten und sie erneut zu Göttern machten. Verflucht sollst du sein, Stellan, dachte Jaxyn und haderte mit sich, weil er sowohl Stellans politischen Scharfsinn als auch seinen Rachedurst unterschätzt hatte. Du hast ja einen raffinierten Zeitpunkt gewählt, um dir ein Rückgrat zuzulegen.
Einen raffinierten Zeitpunkt, um mit mir abzurechnen.
Es geschah nicht oft, dass Jaxyn jemanden so falsch beurteilte. Jedenfalls konnte er sich nicht erinnern, dass ihm je ein abservierter Liebhaber derartig eins ausgewischt hatte.
Er wandte sich an Diala. »Es wird jetzt erst mal Säbelrasseln geben. Tyrone wird uns nicht offiziell den Krieg erklären, ehe er in der Lage ist, uns anzugreifen – aber du kannst dich darauf verlassen, dass der Fehdebrief kommt, sobald er gerüstet ist.«
»Was unternehmen wir wegen Stellan?«, verlangte Mathu zu wissen. Er dachte immer noch nicht weiter als bis zu Stellans Verrat. Der Umstand, dass Glaeba sich am Rande eines Krieges befand, war offenbar nicht zu dem jungen König durchgedrungen.
»Beantrage seine Überstellung«, sagte Diala. »Nein, besser noch, verlang seine Auslieferung. Liste all seine Verbrechen auf, wirkliche und erfundene, und warne Caelum: Wenn sie einem solchen Schwerverbrecher Zuflucht gewähren, ist das eine übergriffige Justizbehinderung des souveränen Staates von Glaeba.«
»Ob das etwas nützt?«, fragte Mathu.
Jaxyn schüttelte den Kopf. »Selbstverständlich nicht. Es bringt uns überhaupt nichts außer etwas Zeit, um unsere Armee aufzustellen.«
Mathu starrte ihn entsetzt an. Ihm ging wohl jetzt erst auf, dass dies tatsächlich Krieg bedeuten könnte. Er wandte sich hilfesuchend an Diala, die ihm bis eben noch zu Ausweichstrategien geraten hatte. »Was soll ich tun?«
»Was Jaxyn sagt«, bestätigte sie. Sie war nicht so dumm, weiter Spielchen zu spielen, da sich die politische Landschaft derart drastisch verändert hatte. »Sie werden uns angreifen, sobald sie kampfbereit sind, und dein perverser Cousin hat ihnen die ideale Rechtfertigung dafür geliefert.«
»Er ist dein Onkel, Kylia«, rief ihr Mathu ins Gedächtnis.
»Zu meiner ewigen Schande.«
»Gezeiten, ich kann das Ausmaß von Stellans Verrat noch immer nicht fassen.«
Jaxyn konnte das durchaus. Tatsächlich bewunderte er Stellan fast dafür. Er verstand auch mühelos, warum Stellan mit seinem Schachzug bis jetzt gewartet hatte. Schließlich war er bereits als Verräter gebrandmarkt und hatte im Wesentlichen nichts mehr zu verlieren. Jaxyn wünschte nur, er hätte
Weitere Kostenlose Bücher