Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
irgendetwas geschah.
Unversehens geschah tatsächlich etwas. Azquils Arm schoss nach vorn, als er zugriff, dann setzte er sich mit triumphierender Miene aufrecht hin. »Hab eine!«
Sie rappelte sich ebenfalls auf und starrte ihn an. »Du hast was?«
»Eine Genoamotte! Sieh mal.« Er öffnete seine Hand und enthüllte eine große Motte, die in seine Handfläche gebettet war. Die Farbe ihrer Flügel war in der Dunkelheit schwer zu bestimmen, vielleicht dunkelblau oder braun, aber sie hatte zwei deutlich hellere elliptische Kreise auf den Flügeln, sodass es schien, als starrten zwei Augen aus dem Rücken der Motte. Der blasse Körper war etwas dünner als Tijis kleiner Finger und etwa ebenso lang. Die Motte zitterte ängstlich in Azquils Griff. »Ein Geschenk der Gezeiten an die Chamäliden.«
»Du willst das doch nicht wirklich essen, oder?«
Er grinste, und die leicht spitz zulaufenden weißen Zähne blitzten in seinem hübschen silbernen Gesicht auf. »Komm etwas näher. Ich zeige dir, wie es geht.«
»Es ist eklig.«
»Es ist köstlich.«
Zweifelnd und sehr beklommen beugte sich Tiji nach vorn. Azquil hielt ihr die Motte vor den Mund. Sie war sicher, würgen zu müssen, und presste die Lippen zusammen, aber Azquils aufmunterndes Lächeln – und das geradezu unwiderstehliche Verlangen, ihn zu beeindrucken – war zu bestechend, und schließlich öffnete sie den Mund. Azquil ließ die Motte behutsam seitlich hineingleiten, sodass nur einer der Flügel ihre Zunge berührte. Es gab ein unvermutetes Prickeln von exquisiter Süße, als die Säure in ihrem Speichel mit dem Mottenflügel reagierte.
Geschockt und zugleich entzückt von ihrer Empfindung war Tiji wie gelähmt. Der kräftige Leib der Motte bebte an ihrem Kinn. Azquil kam näher und nahm den anderen Flügel behutsam selbst in den Mund, bis nur noch der zart gerippte Körper zwischen ihnen war. Das Schwindel erregende Gefühl des sich auflösenden Flügels auf ihrer Zunge ließ Tiji alle Bedenken vergessen. Sie erzitterte, rückte noch näher heran und zerdrückte dabei versehentlich das Insekt zwischen ihnen. Die berauschende Süße der Mottenflügel war geradezu fade verglichen mit dem Fleisch des Insekts. Es war geschmacklich mit nichts vergleichbar, was Tiji je zuvor probiert hatte. Gierig leckte sie an Azquils Gesicht und er an ihrem, darauf bedacht, nicht einen einzigen kostbaren Tropfen des süßen Mottennektars zu vergeuden.
Dann berührten sich auf einmal ihre Zungen, und noch bevor sie merkte, was geschah, verwandelte sich der Hunger nach der Köstlichkeit der zerdrückten Motte in Hunger aufeinander. Ihre Münder fanden sich in einem langen Kuss. Tiji ließ sich rücklings auf den warmen Felsen sinken, gleich darauf war Azquil über ihr. Sie war völlig berauscht von der Hitze und einer verrückten Laune der Natur, die den Saft einer ziemlich gewöhnlichen Motte in ein Aphrodisiakum von schier unwiderstehlicher Wirkung verwandelte. Ihre Haut flimmerte in allen Farben, die sie anzunehmen vermochte, und bei Azquils Haut war es genauso, was ihre Erregung noch vergrößerte. Dann rieb Azquil sanft seinen Leib an ihrem, ihre Schuppen raschelten leise wie zischende Seufzer, das Gefühl von Schuppe auf Schuppe so erregend, dass es fast nicht zu ertragen war.
Seine Zunge spielte auf ihrer Haut, und die aufsteigende Hitze ihres Körpers schien die Wirkung des Mottensafts noch zu verstärken. Azquil murmelte süße Nichtigkeiten und glitt langsam an ihrem Körper abwärts, dabei bescherte er ihr mit seiner flackernden Zunge köstliche Qualen, bis Tiji sich fast so sehr wünschte, es möge aufhören, wie sie wünschte, es möge niemals enden. Als er schließlich zwischen ihre Beine griff, schrie sie auf vor Wonne. Sie wusste nicht, ob dies Liebe war oder schlichte Lust oder ob sie von der Wirkung einer berauschenden Motte halluzinierte und eine Fantasie durchlebte.
Dann änderte er seine Lage und küsste sie wieder auf den Mund, und Tiji empfand kurz den stechenden Schmerz des ersten Eindringens. Und da wusste sie, dass dies nicht nur Wirklichkeit war, sondern auch wunderschön. Und zum ersten Mal, seit sie in die senestrischen Feuchtgebiete gekommen war, fühlte sie sich, als hätte sie ihr wahres Zuhause gefunden.
26
»Gezeiten! Seht Euch das mal an!«
Cayal sah kurz Oritha an – oder vielmehr das, was von ihr unter all den Pelzen zu erkennen war –, dann drehte er sich um und suchte nach dem Auslöser ihrer Verzückung. Am gleißend
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