Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
essen sie, während sie noch zucken«, gab sie zu bedenken und nahm schließlich seine Hand. Sie sah dem Ausflug mit Azquil nicht mehr ganz so begeistert entgegen, seit sie wusste, dass das Verspeisen lebender Insekten auf dem Plan stand. »Wo gehen wir hin?«
»Eine Runde schwimmen in der heißen Quelle«, sagte er. »Und danach suchen wir uns einen schönen sonnengewärmten Felsen, auf dem wir uns ausstrecken, machen ein Feuer, schauen ein Weilchen in den Sternenhimmel und warten, bis die Motten kommen – und dann, das kannst du mir glauben, mache ich dich mit Wonnen vertraut, wie du sie noch nie verspürt hast.«
Misstrauisch ließ sich Tiji von Azquil hinaus in die zunehmende Dunkelheit fuhren, die mit den Geräuschen singender Insekten angefüllt war. Sie dachte unwillkürlich, dass die Wonnen, die sie noch nie verspürt hatte – zumindest die, auf die sie sich freute – auch in ihren wildesten Träumen nie damit zu tun gehabt hatten, lebende Insekten zu verschlingen.
»Denkst du, dass es noch andere Gezeitensterne außer unserem gibt?«, fragte Tiji.
Sie lag auf dem Rücken, starrte in den Himmel und ließ ihre silberne Haut an der warmen Luft trocknen. Am Firmament leuchteten vereinzelte Sterne, die in der Dunkelheit wie versprenkelte Eissplitter aussahen. Die gespeicherte Hitze des Tages strömte von dem großen flachen Felsen in ihren ausgestreckten Rücken, die Wärme wirkte sowohl entspannend als auch verführerisch. In der Ferne plätscherten die Quellen, und die warme Luft war feucht und roch leicht nach Schwefel. Das Zirpen der Milliarden von nachtaktiven Insekten, die, die Sumpfgebiete bevölkerten, übertönte fast das beruhigende Gurgeln der heißen Quellen.
»Keine Ahnung«, sagte Azquil. Er lag neben ihr und blickte ebenfalls in den Nachthimmel. Wenige Fuß entfernt knisterte ihr Feuer, ein kleiner Leuchtturm, der die Insekten der Feuchtgebiete herbeirief und ins Verderben lockte. »Vielleicht kommt ja alle Gezeitenmagie von unserer Sonne.«
»Was ist mit den heißen Quellen?«
»Was ist mit ihnen?«
»Wo kommt das heiße Wasser her?«
»Unterirdische Vulkane vermutlich«, sagte er. »Das meint jedenfalls Lady Arryl.«
»Woher will sie das wissen?«
»Sie stammt aus Magreth. Dort gab es auch heiße Quellen, erzählte sie mir. Es waren Vulkane, die das Wasser erhitzt haben, also nehme ich an, dass wir so eine unterirdische Aktivität irgendwo im Umkreis auch haben. Ich hoffe nur, dass es hier ein wenig sicherer ist als in Magreth.«
Tiji schüttelte den Kopf. Die beiläufige Erwähnung der Unsterblichen, die sie instinktiv verabscheute, war ihr unbehaglich. »Das waren keine Vulkane, die Magreth zerstört haben, Azquil. Das war ein Gezeitenfürst. Weißt du … so einer wie die, mit denen ihr scheinbar so befreundet seid.«
»Wir sind mit Arryl, Medwen und Ambria befreundet, weil sie unsere Freundschaft verdienen. Warum kannst du das nicht anerkennen?«
Sie seufzte und wünschte, Declan wäre hier, um es zu erklären. Er wusste, warum man ihnen nicht trauen konnte, und er konnte es sehr viel besser erklären als sie. »Wir werden die Unsterblichen wahrscheinlich nie besiegen, oder?«
»Deswegen müssen wir einen Weg finden, mit ihnen auszukommen«, sagte er. Er rollte sich auf die Seite, um sie anzusehen, und stützte seinen Kopf mit der Hand ab. »Deine Haut sieht in diesem Farbton wunderschön aus.«
Ohne dass es ihr bewusst war, hatten ihre silbernen Schuppen den bräunlich marmorierten Farbton des Felsens angenommen, auf dem sie lagen. Sobald er sie darauf aufmerksam gemacht hatte, begann die Farbe zu flimmern und verschwand.
Er lächelte entschuldigend. Und er sah sie schon wieder mit diesem Blick an …
»Es tut mir leid, dass ich dich in Verlegenheit gebracht habe.«
»Nein … ach, was. Wirklich, ich bin nur …« Gezeiten, ich verwandle mich in eine plappernde Idiotin …
»Seht!«, flüsterte er, bevor sie sich vollends lächerlich machen konnte. Er legte behutsam einen Finger auf ihre Lippen und formte mit dem Mund lautlos die Worte: Nicht bewegen.
Tiji erstarrte und überlegte fieberhaft, ob irgendeine Gefahr lauerte. Vorsichtig beugte sich Azquil über ihren noch feuchten Leib und streckte den Arm aus. Eine lange Zeit verharrte er in dieser Position, so still, wie es nur ein Wesen mit Reptilienblut in den Adern fertig brachte, sein Körper schwer auf ihrem. Tiji wusste weder, was er vorhatte, noch warum. Sie lag reglos unter ihm und wartete darauf, dass
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