Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
ihn nicht. »Wage es nie wieder, auch nur so an sie zu denken, du senestrischer Haufen Scheiße«, fauchte er auf Glaebisch.
Er schüttelte seine lädierte Hand, die jetzt plötzlich irrwitzig wehtat. Der Schmerz übertraf das Ausmaß der Verletzung bei weitem, ein ziemlich untrügliches Anzeichen, dass er sich vermutlich etwas gebrochen hatte und der qualvolle Heilungsprozess seines unsterblichen Körpers bereits im Gang war. Er ließ den Sklaven liegen, wo er hingefallen war, und verließ die Klinik.
Wie es aussah, musste er sich ein Boot besorgen. Und dann lag vor ihm eine weitere Reise, nämlich zu einem Dorf in den Feuchtgebieten namens Wasserscheid.
28
»Gib dem Fratz eine Dosis von dem Tonikum und schick sie weg, bevor sie hier alle anstecken.« Arkady lächelte der Chamälidin und ihrem Nachwuchs, die auf der Veranda standen, tröstend zu und hoffte, dass sie mit besonderer Herzlichkeit die grauenhaften Manieren von Cydne etwas ausgleichen konnte. Sie hätte zu gern länger mit den Chamäliden gesprochen, die in dieser dunstigen Sumpflandschaft vielleicht nicht die zahlreichste Art, aber doch zumindest nicht selten waren. Allerdings würde es ihr kaum allzu viel nützen, mehr über sie zu erfahren. Wem konnte sie schon davon berichten? Die einzige Person, die es interessieren würde, dass sie eine ganze Region voller Chamäleon-Crasii entdeckt hatte, war Tiji. Aber die war sicherlich längst wieder in Glaeba und leistete bei Declan Abbitte, weil sie seine teure Fürstin aus den Augen verloren hatte.
Die Chamälidenfamilie sah ausgezehrt und sorgenvoll aus. Sie stammten hier aus dem Dorf, diese Crasii, anders als ihre bisherigen Patienten, die überwiegend von auswärts kamen. Die Frau, ein kleines silberhäutiges Geschöpf, hielt ein mattgraues Kleinkind in ihren Armen, höchstens zwei oder drei Jahre alt und kaum bei Bewusstsein. Sie taten Arkady von Herzen leid. Das ältere Kind, ein magerer silbriger Junge, hielt sich eng an der Seite seiner Mutter, als hätte er Angst, sie könnte verschwinden – was leicht geschehen konnte, wenn das Sumpffieber seines kleinen Bruders sie befiel.
»Na, kommt«, sagte sie und goss etwas Tonikum auf den Löffel. »Es schmeckt scheußlich und verursacht Brennen in den Augen, aber es sollte helfen.«
Die Mutter drehte den Körper des Jüngsten ein wenig, um Arkady das Verabreichen der Medizin zu erleichtern. Er wirkte teilnahmslos und reagierte nicht, als die sämige Flüssigkeit in seinen Mund tröpfelte. Dann hustete er und schluckte. Arkady wartete ab, um zu sehen, ob sein empfindlicher Magen die Medizin drinbehielt.
Als feststand, dass er das Tonikum nicht spontan erbrach, lächelte Arkady die Mutter an. »Halte ihn möglichst kühl und achte darauf, dass er viel trinkt. Es geht ihm bald besser.«
Die Chamälide nickte dankbar und wandte sich zum Gehen, ihren anderen Sprössling, der ihr nicht von der Seite wich, auf den Fersen.
»Das waren wohl die Letzten für heute«, sagte Jojo und kam auf die Veranda.
Es war ihre zweite Woche hier. Seit sich herumgesprochen hatte, dass ein Arzt aus Port Traeker in Wasserscheid war und kostenlos Medizin austeilte, erschienen Morgen für Morgen mehr Patienten. Sie reihten sich vor dem Haus in die Warteschlage ein und warteten darauf, behandelt zu werden.
Inzwischen behandelten sie überwiegend, fast ausschließlich Sumpffieber-Fälle. Arkady staunte, dass sie sich noch immer nicht angesteckt hatte. Vielleicht besaß sie eine natürliche Immunität. Das Sumpffieber befiel nicht jeden, der damit in Berührung kam. Es war eine opportunistische Erkrankung, die zuerst die sehr Jungen und ganz Alten infizierte. Ein normaler, gesunder Erwachsener hatte gute Aussichten, verschont zu bleiben. Aber auch, wer sich ansteckte, hatte noch eine ganz gute Chance auf Überleben, solange er nicht an Dehydrierung starb.
Glücklicherweise hatte Arkady ja auch Zugriff auf Cydnes Tonikum. Bislang hatte sie noch nichts davon einnehmen müssen, den Gezeiten sei Dank. Aber sie hatte fest vor, beim ersten Anzeichen von Magenverstimmung oder Durchfall eine ganze Flasche des übel, riechenden Gebräus zu trinken.
»Es wäre mir lieber, du würdest das nicht immer tun«, sagte Cydne und erhob sich.
»Was denn?«
»All diesen Biestern sagen, dass es ihnen bald besser geht. Das weißt du gar nicht.«
»Der Kleine schien das Schlimmste überstanden zu haben.«
»Es steht dir aber nicht zu, eine Genesung vorherzusagen«, sagte er. »Lass es
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