Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
sogar ich einiges auf mich. Und diesmal werden wir verdammt noch mal sicherstellen, dass wir genug Energie zusammenkriegen. Deshalb setzen wir den Kristall des Chaos ein, was bedeutet, dass wir die Gezeitenenergie aus mehreren Welten gleichzeitig bündeln können.
Also werden wir tatsächlich einen Spalt öffnen, wenn die Flut auf dem Höhepunkt ist. Aber das tun wir nicht, um dir den ersehnten Tod zu schenken, Cayal.
»Wir tun es, um Coryna das Leben zu schenken.«
20
»Hast du denn von Lukys nie einen Beweis für Corons Tod verlangt?«, fragte Kinta Cayal einige Zeit später. Kentravyon hatte sie allein gelassen und war den dunklen Strand entlang davongewandert, während sie um die Reste des Feuers herumstanden und versuchten alles zu verdauen, was er ihnen erzählt hatte. In Declans Kopf wirbelten die Gedanken noch im Kreis; wie die beiden anderen sich fühlten, konnte er nicht sagen. Im Osten erleuchtete das erste Schimmern des Sonnenaufgangs den Himmel, die Luft war kalt und die Flut lief ein. Sie würden bald verschwinden müssen oder weggespült werden – eine hübsche Analogie zur kosmischen Flut, deren Pointe Declan nicht entging.
»Natürlich hab ich Beweise verlangt«, sagte Cayal. »Er zeigte mir eine tote Ratte.«
»Und du hast prompt geglaubt, dass es Coron ist?«
Cayal bedachte ihn mit einem finsteren Blick. »Sprich nicht in diesem Ton mit mir, du inzüchtiger kleiner Scheißer. Warum sollte ich ihm nicht glauben? Er hat sich in den letzten achttausend Jahren keine zehn Fuß von der verdammten Ratte entfernt. Was ist daran so schwer zu verstehen? Er hat mir eine Leiche gezeigt und behauptet, es sei sein Schoßtier, und von einem lebenden Coron nirgends eine Spur. Woher sollte ich ahnen, dass das nicht die Wahrheit ist?«
»Ich hätte ihm auch geglaubt.« Kinta überraschte Declan damit, dass sie sich auf Cayals Seite schlug. »Die Frage ist, ob wir Kentravyon glauben.«
»Er ist verrückt«, bemerkte Cayal.
»Was er uns erzählt hat, klang irgendwie glaubwürdig«, meinte Declan. »Und es passt zu dem, was wir wissen.«
»Das muss es ja wohl«, sagte Cayal. »Wie lange lebst du schon?
Knapp dreißig Jahre? Ja, ich merke schon, wie dich das mit all der Kenntnis rüstet, die man braucht, um profunde und zutiefst vernünftige Urteile über das Schicksal der Unsterblichen zu fallen. Ich verneige mich vor deiner überlegenen Weisheit, oh großer und allwissender Erster Spion.«
»Hör auf, Cayal«, rief Kinta ungeduldig.
»Sonst – was?«
Kinta antwortete nicht, sondern wandte sich an Declan. »Was habt Ihr jetzt vor?«
»Weiter nach Glaeba«, sagte er. »Für mich hat sich nichts geändert. Ich versuche Arkady zu finden. Und Ihr?«
»Ich muss mit Brynden reden. Ich muss ihm erzählen, was Kentravyon gesagt hat. Es wird ihn … beunruhigen, denke ich.«
»Das ist eine leichte Untertreibung«, stellte Cayal mit einem kurzen bitteren Auflachen fest. »Es dürfte deinen tapferen und edlen Krieger regelrecht umhauen. Stell dir vor, wie sich das anfühlen muss – nach all der Zeit, die er nach dem wahren tieferen Sinn der Unsterblichkeit geforscht hat –, auf einmal erfahren zu müssen, dass sich alles immer nur um die Ratte drehte. Gezeiten, er hat Glück, dass er unsterblich ist, sonst würde diese Nachricht ihn töten.«
»Und was ist mit dir, Cayal?«, fragte Kinta. »Hast du vor, Lukys bei seiner Unternehmung zu unterstützen, Coron wieder zu menschlicher Gestalt zu verhelfen?«
»Warum nicht? Solange ich während des Ereignisses sterbe, kann er von mir aus einen Chor jelidischer Schneebären in Tanzmädchen verwandeln.«
»In einem Punkt hat Kentravyon jedenfalls recht«, bemerkte Declan. »Lukys hat ein brillantes Urteilsvermögen darüber, was Menschen motiviert.«
»Wie meinst du das?«
»Ich meine, sieh dich an. Du machst ein ernstes Gesicht, nickst und sagst ›das ist ja ein Dings aber letztlich hat sich nichts so drastisch verändert, dass du aus eurer Vereinbarung auszusteigen drohst. Du bist immer noch gewillt, den Spalt für ihn offen zu halten, ungeachtet aller Risiken. Also: Cayal will immer noch sterben. Kentravyon scheint helfen zu wollen, weil er einfach neugierig ist. Lukys* Motive sind möglicherweise nobel und ehrenhaft genug, dass Brynden davon absieht einzugreifen, selbst wenn er die Wahrheit rechtzeitig erfährt. Er hat euch alle wirklich gut eingeschätzt, wie ich feststelle. Alle seine Freunde und seine Feinde so geschickt auf Linie zu bringen – das
Weitere Kostenlose Bücher