Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
in den Wald hinein, legte es aufs Moos und bedeckte es mit Zweigen. Dann schlich sie ihm nach in den Wald, hielt dabei jedoch Abstand und passte auf, dass sie weder zu hören noch zu sehen war. Es gelang ihr, ihm den ganzen Weg bis zu dem Erdkeller zu folgen, ohne dass er Verdacht schöpfte. Ein paar Mal hatte er einen Blick über die Schulter geworfen, aber das schien nichts mit Dewi zu tun zu haben. Sie war aufgeregt, es kam ihr vor wie ein Abenteuer. Als solches betrachtete sie es jedenfalls in jenem Augenblick.
Sie suchte Deckung hinter ein paar dicht zusammenstehenden Bäumen, ging in die Hocke und beobachtete, wie er mit dem Spaten, den er vom Auto mitgebracht hatte, einen Haufen Zweige zur Seite schob, hinter dem er die Türklappen versteckt hatte. Die Spannung stieg ins Unermessliche, als sie sah, wie er das Vorhängeschloss öffnete, um sich unter die Erde zu begeben. Aber als sie seinen Kopf unter der Erdoberfläche verschwinden sah, wurde ihr klar, dass dies nichts mit der Entführung von Lara zu tun haben konnte. Denn er konnte sie doch nicht Woche für Woche – vielleicht sogar Monate, wenn sich das Adoptionsverfahren hinziehen sollte – unter der Erde verstecken? Das war doch eine unmenschliche Art, ein Kind zu behandeln. Einen Menschen. Selbst wenn es darum ging, etwas Gutes zu tun. Nein, Lara hätte es sogar im Kinderheim besser gehabt, davon war Dewi überzeugt. Also hatte er dort unten etwas anderes vor. Die Frage war nur: Was war in diesem Fall mit Lara passiert?
Aber jetzt drangen Laute von dort unten herauf. Schreie und Stöhnen, und sie konnte seine Stimme gut wiedererkennen. Was geschah dort? Hatte er sich wehgetan? Sollte sie sich zu erkennen geben, zu ihm laufen und ihm Hilfe anbieten? Nein, das wagte sie noch nicht. Sie wartete eine Weile ab und hoffte, dass der Lärm aufhören würde, dass sie sich alles nur eingebildet hatte. Und vielleicht war es auch so, denn jetzt war nichts mehr zu hören, und er tauchte wieder in der Öffnung auf. Jetzt trug er allerdings etwas Großes und Schweres in den Armen. Sie hörte, wie er vor sich hinfluchte, als er das Bündel durch das Loch bugsierte und vor sich auf der Erde ablegte. Dewi konnte nicht richtig erkennen, worum es sich handelte, vielleicht waren es Kleider. Dann schaute er sich noch einmal um, bevor er den Körper mit einem kräftigen Griff packte und fortzutragen begann. Denn es war ein Körper. Dewi sah, dass es ein kleines Mädchen mit blonden Haaren und den Kleidern war, die Lara trug, als sie sie das letzte Mal gesehen hatte. Sie konnte immer noch nicht begreifen, was sie dort sah. Was war mit Lara passiert? War sie krank? Verletzt? Wohin wollte er sie tragen?
Als er mit dem Bündel in den Armen verschwunden war, wagte sie es, zum Eingang des Erdkellers zu gehen. Vorsichtig kletterte sie die Stufen hinunter und schaute sich um. Das Erste, was sie bemerkte, war das Fahrrad. Ein ganz neues, rotes Fahrrad, das sie gut wiedererkannte. Wie auch den Helm, der am Lenkrad hing. Dann sah sie die Matratze auf dem Boden, die Decke und das Essen. Den Eimer, der offensichtlich als Toilette gedient hatte. Lara hatte also die ganze Zeit seit ihrem Verschwinden hier verbracht. Dewi konnte es nicht begreifen, aber sie spürte, wie ihr langsam übel wurde. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Sie ging die Stufen wieder hinauf, schaute, ob sich in der Richtung, in die er verschwunden war, etwas bewegte, und schlich hinterher.
Und jetzt wurde es richtig schrecklich. Von ihrer Position hinter einem großen Stein sah sie, wie er Lara fallen ließ. Er ließ sie einfach fallen, ohne Rücksicht darauf, dass es sich um einen Menschen handelte. Wenn er sie hingelegt hätte, sie vorsichtig heruntergelassen hätte, dann hätte es immer noch eine Form von Respekt gegeben, aber das hier … Lara war ein Gepäckstück, Abfall, irgendetwas, das er loswerden wollte. Und er hatte sie nicht auf den Boden fallen gelassen. Dewi sah, wie Laras Körper in einer Grube verschwand, in einem Grab. Und daneben lag ein großer Haufen Erde. Sie merkte, wie ihr Blick unscharf wurde, wischte sich die Nase ab und ließ sich ins Moos sinken, vollkommen unfähig, irgendetwas zu tun.
Dann verschwand er wieder. Nach einer Weile hörte sie aus der Entfernung, wie die schweren Klappen mit einem metallischen Knall, der durch den Wald hallte, wieder zufielen. Einige Minuten später kehrte er mit dem Fahrrad zurück, der Helm hing immer noch am Lenker. Der Mann, den sie nicht mehr
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