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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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hätte den Rio Negro nicht gesehen. Alles war schwarz – der Wald, der Fluss und die Schatten, die ineinander überzugehen schienen.
    In diesem Moment kam es der jungen Frau vor, als würde die Albatross unter ihr wegsacken. Ein paar gedämpfte Protestrufe kamen aus der Passagierkabine. Die nächtliche Landschaft schien auf sie zuzustürzen, die Motoren heulten auf.
    »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie eigentlich wahnsinnig sind?«, rief sie aus und klammerte sich an einen Haltegriff.
    »Öfter. Nichts Neues«, gab Finch ungerührt zurück.
    Das Rauschen des Windes nahm zu, und die Albatross schüttelte sich. Ein Vibrieren breitete sich von den Tragflächen aus, und es schien Fiona, als ächzte das ganze Flugzeug.
    Der Urwald kam rasend schnell näher.
    »Schon gut! Ich nehme alles zurück! Dieser Entenarsch kann wirklich schnell sein!« Fiona sah Finch alarmiert an. »Wollen Sie die alte Kiste in der Luft zerlegen?«
    »Schnallen Sie sich fest und genießen Sie die Show.« Die Augen des Piloten leuchteten. »Das hier ist mein Element, hier bin ich zu Hause, zwischen Himmel und Erde. Haben Sie gedacht, fliegen sei die Zeitspanne, die man in einem Luftkorridor irgendwo zwischen Start und Landung verbringt? Ha! Sie haben noch gar nichts gesehen. Jetzt beginnt fliegen!«
    Den Höhenmesser im Auge, dessen Nadel wie verrückt rotierte, wartete Finch, bevor er die Albatross abfing. Fiona starrte mit schreckgeweiteten Augen nach vorn. »Das schaffen wir niemals«, flüsterte sie, als die schwarzgraue Fläche des Dschungels sich vor ihr aufbaute. Dann erblickte sie den Fluss, etwas weiter links. Er mochte hier drei- oder vierhundert Meter breit sein. Sein Wasser war rabenschwarz, nur der Mond spiegelte sich stellenweise auf der Oberfläche.
    Finch flog eine scharfe S-Kurve und schwenkte über dem Rio Negro ein. Die Albatross donnerte keine zwanzig Meter hoch über die Strudel dahin. Seelenruhig griff der Pilot zu den Schaltern und löschte die Positionslichter.
    »Links neben uns Berge, rechts neben uns Berge, vor uns Berge, wo würden Sie hinfliegen?« Er schien den Flug zu genießen, während Fiona die Haare zu Berge standen. »Auf den ersten vierzig Kilometern macht der Rio Negro vier große Schlingen, die ziemlich eng sind. Die werden wir uns sparen. Wir springen über die Berge und kürzen ab.«
    Die Frau auf dem Kopilotensitz schwieg und versuchte, durch die Cockpitfenster zu erkennen, wie weit die Berge noch entfernt waren. Plötzlich schien alles viel zu schnell zu gehen. Draußen lief ein Film im Zeitraffer ab.
    »Die verbleibenden zweihundert Kilometer folgen wir danach dem Flusslauf. Die Ufer werden dann flacher, ein paar Behausungen, kleine Orte, sonst Urwald. Greifen Sie in die rechte Seitentasche, da finden Sie einen Plan, so etwas wie eine Straßenkarte im großen Maßstab. Danach werden wir fliegen.« Er grinste und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Nase. »Und nach dieser da.«
    Die Berge waren schneller da, als Fiona vermutet hatte. Atemlos zeigte sie nach vorn, während sie mit ihrer Rechten nach der Karte tastete.
    Finch zog die Albatross hoch, und die Bäume kamen gefährlich näher. Der Berg schien nach dem Flugzeug zu greifen, und der Pilot zog noch stärker an dem dünnen Steuerrad. Allmählich verlor die Albatross an Fahrt, während sie höher und höher stieg.
    »Das wird knapp«, stieß Fiona hervor und stemmte sich instinktiv mit beiden Beinen ab.
    »Knapp ist, wenn Sie den weißen Streifen am Rücken des Stinktieres sehen können«, wehrte Finch ab. »Alles andere ist innerhalb der Toleranz.«
    Als der Bergkamm zum Greifen nahe unter ihnen vorbeihuschte, atmete Fiona tief aus. »Ich habe seine Schnurrbarthaare gesehen«, meinte sie kopfschüttelnd. »Sie sind wahnsinnig.«
    Finch brachte die Albatross in die Waagerechte und die Geschwindigkeit nahm wieder zu. »Nach der nächsten Schlinge geht der Spaß erst richtig los«, meinte er vergnügt. »Haben Sie schon einmal eines dieser Computerspiele gespielt, bei dem man einen Bob durch den Eiskanal ins Ziel bringen muss? Alles geht viel zu schnell, und es bleibt keine Zeit, um Fehler zu korrigieren, sonst fliegen Sie raus.«
    »Am Computer kann man dann das Spiel neu starten«, gab Fiona düster zurück.
    »Hier und jetzt ist es im Ernstfall ein ziemlich endgültiges Finale, das macht es ja so spannend«, setzte Finch fort. »Und im Eiskanal kommen einem keine Schiffe entgegen. Wie langweilig!«
    »Wie bitte? Schiffe? Sie

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