Falsch
geheiratet?« Die junge Frau ließ nicht locker.
»Warum bewerben Sie sich nicht bei der Inquisition?«, versetzte Finch. »Die brauchen Leute wie Sie.«
»John!«
»Ja! Herrgott noch mal, was habe ich Ihnen getan? Ich habe nicht geheiratet, weil ich niemandem ein Leben wie meines zumuten wollte. Ständig unterwegs, immer in der Luft. Flugzeuge haben die Tendenz, aus dem Himmel zu fallen, wussten Sie das? Nordafrika war nicht der Spielplatz des Kindergartens um die Ecke, ganz im Gegenteil. Wenn einer der Krisenherde halbwegs unter Kontrolle gebracht wurde, dann ging es in einem anderen Land los. Mord, Totschlag, Genozid, Unabhängigkeitskriege, machthungrige Diktatoren, Sklavenhandel und dazwischen noch ein paar Diamantenminen. Andauernd Aufträge am Rand der Legalität. Auf dem Hinweg Goldbarren für den Diktator, auf dem Rückweg Söldner und Waffen. Am nächsten Tag …« Finch winkte ärgerlich ab. »Ach was, ist ja egal.«
Er tastete nach seinem Wecker und schielte auf die roten Zahlen. »Sie haben den Verstand verloren«, meinte er dann nur kopfschüttelnd und schloss die Augen. »Fragen Sie mich wieder mal, wenn ich wach bin. Dann erzähle ich Ihnen ein paar Geschichten von willigen Frauen in jeder Stadt und müden Buschpiloten, die in den Tag hinein lebten, weil sie den nächsten nicht mehr erleben würden.«
»Von müden alten Buschpiloten?«, neckte ihn Fiona.
»Auch das, wenn Sie wollen«, seufzte Finch, »auch das. Meine Spezialität.« Er überlegte kurz. »Was war das eigentlich für eine Einladung gestern Abend? Die mit dem ›Kommen Sie nach?‹«
»Ach das.« Fiona senkte den Kopf und schaute angestrengt in die leere Kaffeetasse. »Das ist mir nur so herausgerutscht …«
»Dachte ich mir«, brummte er erleichtert. »Die Müdigkeit, die Aufregung und das Adrenalin. Na ja, ich hab Alpträume nach solchen Einsätzen. Es gibt Dinge, an die gewöhnt man sich nie.« Er zog die Decke hoch und streckte sich aus. »Und jetzt, wenn Sie mich entschuldigen, schlafe ich noch ein paar Stunden. Beichte vorbei, Pfarrer glücklich.«
»John?«
»Ja! Was ist noch?«
»Darf ich unter die Decke kommen?« Fionas Stimme klang unsicher.
»Ich bin nicht Ihr Typ, das haben Sie mir gleich zu Beginn so unmissverständlich klargemacht, dass selbst ich es verstanden habe. Ich bin viel zu alt, das lassen Sie mich nie vergessen. Und ich bin hundemüde«, gab Finch zurück, »und daran sind Sie schuld. Und jetzt fahren Sie brav zurück zu Großvater und Hauspersonal. Ich will schlafen!«
»Ich auch«, lächelte Fiona und klang wie ein kleines Mädchen. »Vielleicht können wir das gemeinsam machen?«
»Du meinst, der einzige Hinweis, den wir derzeit in Händen haben, ist mein kleiner Schlüssel?« Wilhelm Klausner schaute seinen Freund ungläubig an. Böttcher hatte ihm von Medellín, Vincente und Alfredo berichtet und von der Tatsache, dass der kleine Zettel mit den Zeilen Paul Hoffmanns noch immer in der Tasche des stummen Jungen war.
»Wo ist der Ring? Den muss doch Georg Gruber bei sich haben«, gab der alte Mann im Rollstuhl zu bedenken.
»Irrtum, den hat John Finch«, korrigierte ihn Böttcher. »Gruber hatte ein äußerst lukratives Angebot von einem Japaner erhalten, und Finch hat es verdoppelt, als er davon hörte. So verkaufte ihm der junge Gruber den Ring für hunderttausend Dollar und stimmte zu, uns zu dir zu begleiten.«
Klausner legte das Besteck zur Seite. »Moment, jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Es gibt einen Japaner, der von dem Ring weiß? Woher?«
»Da musst du Georg Gruber fragen«, antwortete Böttcher achselzuckend. »Ich … ich habe bestimmte Informationen nicht so klar behalten … Sagen wir, der Flug war etwas turbulent und ohne Beruhigungsmittel nicht auszuhalten …«
»… dem du reichlich zugesprochen hast, ich verstehe«, erwiderte Klausner mit einem strafenden Blick auf seinen alten Freund. »Nichtsdestotrotz – Finch hat nun den Ring und der stumme Junge den Zettel.«
Böttcher nickte und schenkte sich Kaffee nach.
»Vincente geht nirgends hin, er ist auf meinem Grund und Boden und das Team der Security-Männer ist erprobt«, stellte Klausner fest. »Das macht mir keine Sorgen.«
»Auch wegen des Piloten würde ich mich nicht sorgen«, meinte Böttcher, »den hast du gut ausgewählt. Ein loyaler alter Haudegen, mit allen Wassern gewaschen. Hat die Diamantenkriege miterlebt und Söldner geflogen. Der sieht nicht so aus, als würde er mit dem Ring
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