Falsch
Steuerrad, und die Il-76 nahm gehorsam die Nase hoch und stieg in einer geraden Linie in den grauen Himmel.
»Tut mir leid, Juri.« Die Worte ließen Orlov zu seinem Ko hinüberschauen. Er blickte direkt in den Lauf eines .22er Revolvers.
Dann war da ein Blitz, und dann kam die Dunkelheit.
Die drei Crewmitglieder im Cockpit, Ingenieur, Mechaniker und Navigator, waren über ihre Instrumente gebeugt und sahen nicht auf, als der Schuss fiel. Der Körper Orlovs sackte zusammen, vom Gurt im Sitz gehalten. Blut sickerte aus einem kleinen Loch auf der Stirn.
Der Kopilot ließ die Waffe fallen und legte die Il-76 in eine Kurve, änderte den Kurs und drückte zugleich die Nase des Flugzeugs wieder hinunter, bis der vierstrahlige Jet im Tiefflug über die Taiga donnerte.
»Operation Kronstein hat begonnen«, sprach er in ein tragbares Funkgerät, das ihm der Bordingenieur in die Hand gedrückt hatte, bevor er den toten Orlov vom Pilotensitz gezogen und sich selbst dort angeschnallt hatte.
Die Crew hatte noch zwei Minuten und einundzwanzig Sekunden zu leben.
»Hast du die genauen Koordinaten vom Abwurfpunkt?«, fragte der Bordingenieur den Navigator, der noch immer über seine Karten gebeugt war.
»Ihr müsst den Kurs um drei Grad nach Osten korrigieren«, kam die rasche Antwort. Zugleich schrillte ein durchdringendes Alarmsignal durch das Cockpit.
»Was zum Teufel ist da los?«, schrie der Navigator auf.
»Die Hydraulik spinnt, Druckabfall!«, rief der Kopilot, und zugleich kippte die Il-76 über die rechte Tragfläche.
Der Crew blieben noch neununddreißig Sekunden.
Der Kopilot versuchte verzweifelt, auf das Reservesystem umzuschalten und gleichzeitig die Ilyushin auf ihrem bodennahen Kurs zu halten.
»Achtung! Da!«, schrie der Bordingenieur in Panik und zeigte nach vorn. Der Förderturm einer aufgelassenen Diamantenmine raste auf sie zu. Bevor irgendjemand reagieren konnte, rammte die weiße Il-76 mit der rechten Tragfläche das tonnenschwere, verrostete Eisenskelett. Ein fürchterlicher Schlag ging durch das Flugzeug, als die Hälfte der Tragfläche mit einem Triebwerk abgerissen wurde und Benzin aus den Tanks schoss.
Der Feuerball der Explosion riss die Il-76 wie ein Spielzeugflugzeug aus dem Himmel und schleuderte sie auf die gefrorene Erde der Taiga. Nach kaum dreißig Metern Sturzflug prallten die Trümmer der Ilyushin auf den steinharten Boden.
Der Tod war gnädig.
Er kam schnell.
Keines der elf Crewmitglieder überlebte.
In den folgenden Tagen bargen Rettungsmannschaften des Innenministeriums die Leichen der Opfer nach und nach aus dem völlig zerstörten Flugzeug. Eine unverbindliche Zwanzig-Zeilen-Meldung wurde an die Medien herausgegeben, Fernsehteams waren in der Einsamkeit der Taiga ausdrücklich nicht erwünscht. So gab es keine Berichte oder Fotos, keine Videos in den Nachrichten. Die Tatsache, dass eine Il-76 trotz Flugverbot aufgestiegen war, wurde nie untersucht. Der Mantel des Schweigens wurde über das Unglück gebreitet. So erfuhr die Öffentlichkeit auch nicht, dass die ersten Teams, die an der Absturzstellen eintrafen, Agenten des KGB und des Inlandsgeheimdienstes FSB waren, die sich nicht einen einzigen Augenblick um die Leichen kümmerten. Sie zerstörten die Blackbox und suchten fieberhaft nach einer kleinen Stahlkiste, der einzigen Fracht im riesigen Laderaum der Il-76.
Doch nach zwei Tagen stand fest, dass die Kiste spurlos verschwunden war. Auf dem tiefgefrorenen Boden gab es keinerlei Spuren. Das menschenleere Land schien den gepanzerten Stahlbehälter verschluckt zu haben. Dann setzte zu allem Überfluss noch heftiger Schneefall ein, und Tausende Quadratkilometer Taiga verschwanden für Monate unter einer dicken Schneedecke.
Nachdem die Leichen geborgen worden waren, sprengten Teams des KGB die Reste der Il-76. Der Flug, den es nie hätte geben sollen, geriet in Vergessenheit. Angekündigte Untersuchungen verliefen im Sand oder wurden gar nicht erst begonnen, Ergebnisse nie präsentiert. Die Angehörigen der Opfer wurden mit den unterschriebenen Erklärungen konfrontiert und zum absoluten Stillschweigen verpflichtet.
Im Interesse der Staatssicherheit.
Es wurde ruhig um Flug 202.
Doch im Hintergrund brodelte es. Der neu ernannte russische Innenminister Boris Groslow, seit März 2001 im Amt, geriet unter enormen Druck. Eine Gruppe von einflussreichen Männern im Parteivorstand betrachtete den mysteriösen Absturz der weißen Il-76 und das Verschwinden der Stahlkiste als
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