Falsch
Überraschung mehr«, tadelte Takanashi und hoffte insgeheim, dieses Bindeglied zwischen den Cro-Magnon-Menschen und der heutigen Zivilisation namens Martin nie in Person kennenzulernen. »Wir wollen ihm das Kuvert doch persönlich überreichen, so schnell wie möglich.«
»Dieser Glückspilz«, seufzte Martin ergriffen. »Erst eine Gold-Tussi, dann der Porsche, jetzt die Kohle. Da bist du sprachlos …«
»Wir werden versuchen, Herrn Weber aufgrund Ihrer Angaben ausfindig zu machen«, meinte Takanashi geschäftsmäßig. »Sollte es uns nicht gelingen, dann melden wir uns unter Umständen nochmals.«
»Inzwischen versuche ich, auf den Namen des Instituts zu kommen«, versicherte Martin eifrig.
Das wird nicht viel nützen, dachte der Japaner grimmig, als er sich rasch verabschiedete und das Gespräch beendete.
In leeren Schubladen ist schlecht kramen.
Es dauerte keine drei Minuten, und die Suche per Tablet- PC im Internet war erfolgreich. Das Institut in St. Chrischona war die einzige auf behinderte Kinder spezialisierte Bildungsanstalt in der Ostschweiz. Während Takanashi die Adresse in sein Navigationssystem eingab, überlegte er fieberhaft. Was sollte er machen? Den Südamerikanern auf den Fersen bleiben oder diesem Christopher Weber endlich seine »Belohnung« zukommen lassen? Wonach suchten Finch, Klausner und Co.? War der Ring Claessens tatsächlich Teil eines geheimnisvollen Plans, oder bildete sich dieser Gruber nur etwas ein? Und wenn es so war, wohin führte die Spur aus der Vergangenheit? Und was stand an ihrem Ende?
Zu viele offene Fragen für den Geschmack des Japaners. Und es sah nicht so aus, als hätten die Südamerikaner auch nur im Ansatz die Antworten darauf. Nein, die Bestrafung von Weber hatte Vorrang, der Oyabun duldete keine Verzögerungen. Sollte die Aktion in Basel schiefgehen, dann könnte Takanashi gleich sein Grab schaufeln. Dann wären auch der Ring und die Südamerikaner nur mehr sein geringstes Problem. Es gab Fehler, die wurden von den Yakuza nicht vergeben.
Takanashi sah auf die Uhr, als die Navigation Fahrzeit und Distanz ausgerechnet hatte. Zwei Stunden fünfzig Minuten nach Basel, also wäre er am späten Nachmittag da. Diese Bornheim würde ihn sicher heute noch zu Weber führen. Am Abend würde der Loader tot sein und Takanashi seine Ehre wiederhergestellt haben.
Dann blieb noch immer genug Zeit für den Ring.
Damit war die Entscheidung gefallen. Takanashi startete den Lexus, parkte aus und folgte den Anweisungen der monotonen Frauenstimme aus der Navigation. In Gedanken war er bereits in St. Chrischona.
Den unauffälligen, silbernen Golf mit den drei Insassen, der ihm im Abstand von zwei Wagen folgte, bemerkte er nicht.
Der schwarze 7er BMW stand nach wie vor auf einem der beiden Hotelparkplätze vor dem Beau Rivage, mit offenem Kofferraumdeckel und einem daneben geduldig auf und ab gehenden Wagenmeister. Das gleichmäßige leise Piepsen des Ortungsmoduls beruhigte Llewellyn, der in seinem Mercedes saß und überlegte, warum die Südamerikaner so lange brauchten, um ihre Koffer zu packen.
Zwingli konnte jede Minute hier eintreffen, und dann würden sie ihm in die Arme laufen. Der Major fragte sich, welchen Plan der Schweizer hatte. Oder ob er überhaupt einen hatte.
In diesem Moment winkte der Wagenmeister einem jungen Mädchen in Jeans und Pullover zu, das laufend die Fahrbahn des Quai du Montblanc überquerte. Dann trat es an den BMW und schlug den Kofferraumdeckel zu.
Llewellyn ahnte Übles.
Das Mädchen lächelte dem Wagenmeister zu, stieg in den BMW und öffnete das Handschuhfach. Dann zog sie ein Dokument hervor, unterschrieb und drückte es dem Hotelangestellten in die Hand, zusammen mit einem dezent zusammengefalteten Geldschein.
Frustriert schlug der Major mit der Faust auf das Armaturenbrett. Die Südamerikaner hatten ihn ausgetrickst und den Wagen gewechselt! Damit war er wieder aus dem Spiel, Ortungssystem hin oder her.
Während der BMW fast lautlos davonrollte, faltete Llewellyn seine Zeitung zusammen und überlegte. Die Gruppe um Finch war längst über alle Berge. Wohin waren sie gefahren? Hatte ihn jemand entdeckt, und waren sie deshalb so rasch aufgebrochen? Oder gab es noch andere Verfolger außer ihm und Zwingli?
Er schloss den Mercedes sorgfältig ab und schlenderte durch den kleinen Park bis zum Seeufer, ohne den Hoteleingang aus den Augen zu lassen. Nichts Auffälliges, alles schien ganz normal. Llewellyn konnte keinen weiteren
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