Falsch
auf Pontons schwimme.
Und zwar bei hohem Seegang.
Vielleicht doch keine so gute Idee, dachte er sich, bevor er beherzt Gas gab und instinktiv den Kopf einzog. Rumpelnd überquerte der Magirus die Mitte des Flusses, donnerte wie ein Panzer über die Bohlen. Einer der Rückspiegel flog krachend davon, und Franz duckte sich hinter dem Lenkrad. Er sah sich bereits mitsamt dem LKW , der Brücke und seiner Fracht im Rhein versinken.
Die alte Brücke schwankte wie eine Pappel im Sturm. Plötzlich gab es einen zweiten Schlag, die Räder der Vorderachse polterten auf eine betonierte Stufe, und dann rollte der Magirus wieder auf festem Boden. Franz trat auf die Bremse, so fest er konnte, und stellte mit zitternden Händen den Motor ab.
Dann atmete er zum ersten Mal seit der deutschen Seite tief durch.
Einer der Schweizer Zöllner kam gelaufen, baute sich neben dem Fahrerfenster auf und sah Franz vorwurfsvoll an. »Das ist eine Fußgängerbrücke und eigentlich für alle Grenzübertritte gesperrt«, sagte er in reinstem Schwyzer Dialekt, die Hände in die Seiten gestemmt. »Und jetzt kommen Sie sofort da heraus. Unser Kommandant will Sie sehen.«
Die vier roten Pässe lagen in Reih und Glied auf dem Tisch vor einem kleinen, schlanken Mann in untadeliger Uniform, der nicht danach aussah, als würde er jemals lachen. Ein Kneifer saß auf seiner Nase, und der Scheitel durch die grauschwarzen Haare schien mit dem Lineal gezogen. Als er aufschaute und jeden einzelnen der jungen Männer in Zivil musterte, war sein Blick ein einziger Vorwurf.
Der Mann, der in einem langen, dunklen Mantel hinter ihm stand, war allerdings noch beunruhigender als der Postenchef. Er hatte zwei Narben auf der Wange, die sich von seinem Kinn bis zum rechten Ohr zogen. Die Haare waren so kurz geschoren, dass sie kaum zu sehen waren. Doch das Beeindruckendste an dem Unbekannten waren seine Augen. Die Pupillen waren so hell, dass sie fast weiß aussahen.
»Sie haben Verspätung«, sagte der Mann im Mantel ruhig, bevor er seine Hand ausstreckte und der Kommandant der Grenztruppen ihm einen der Pässe reichte.
Wortlos blätterte der Unbekannte in dem Dokument. Er schien nicht ein einziges Mal zu blinzeln.
»So habe ich mir Diplomaten aus dem Vatikan immer vorgestellt«, meinte er schließlich spöttisch und warf einen letzten Blick auf das Passbild. »Franz Gruber. Ist das nicht der Caracciola für Arme, der gerade um ein Haar die Brücke in Grund und Boden gefahren hat?«
Franz trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und senkte den Blick. So hatte er sich den Empfang in der Schweiz nicht vorgestellt. »Wir haben …«, setzte er zu einer Erklärung an, doch sein Gegenüber unterbrach ihn sofort.
»… keine Ahnung und bisher viel Glück gehabt, aber auch das kann rasch zu Ende gehen«, vollendete der Mann im Mantel ungerührt den Satz. »Zeigen Sie mir Ihre Befehle.«
Paul griff in die Tasche und reichte die beiden Schreiben von Kesselring und Himmler über den Tisch. Für lange Minuten war es ruhig in der Zollgrenzstelle. Der Postenchef ließ keinerlei Regung erkennen, während er starr geradeaus blickte.
Endlich war der Unbekannte zufrieden. Während er die beiden Dokumente wieder zusammenfaltete, musterte der Mann mit den Narben die vier jungen Männer, die vor ihm standen.
»Ich nehme an, Sie wissen, was auf der Ladefläche Ihres LKW s ist«, meinte er leise. »Sie haben den Brief Kesselrings gelesen. Er hat bis dato weder die Kapitulation noch den Waffenstillstand für die Heeresgruppe Süd unterzeichnet. Mich stört nur eines. Wo ist Claessen?«
Die vier jungen Männer sahen sich an. Aus einer plötzlichen Eingebung heraus entschloss sich Willi, mit offenen Karten zu spielen und dem Unbekannten reinen Wein einzuschenken.
» SS -Obersturmbannführer Claessen ist tot«, sagte er. »Er kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben, wie auch seine drei Begleiter. Wir haben daraufhin die Aufgabe übernommen, den Befehl auszuführen.«
Der Mann schaute ihn überrascht an. »Claessen ist tot? Tatsächlich? Es gibt also noch gute Nachrichten in diesem Krieg … Manchmal trifft es die Richtigen. Sieh da, sieh da …« Er überlegte einen kurzen Moment und betrachtete jeden der vier Männer, die vor dem Schreibtisch standen, aufmerksam.
»Wer von Ihnen gehört der SS an?«, fragte er unvermittelt.
»Keiner«, antwortete Paul wie aus der Pistole geschossen. »Wir sind … waren alle in der Wehrmacht.«
»Beweisen Sie es mir, schlagen Sie Ihre
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