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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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uns eingeflogen ist, erkenne ich meinen Großvater nicht wieder. Deswegen möchte ich mitkommen und habe ihm angeboten, die Verbindung zu halten. «
    John Finch sah seine Begleiterin an. »Er hat Sie gehen lassen?«
    »Ich bin ein Sturkopf, wenn es darauf ankommt«, antwortete sie lächelnd.
    »Und auf wessen Konto gehe ich?« Finch tippte mit seinem Zeigefinger auf den braunen Umschlag auf der Mittelkonsole.
    »Nicht auf meines, das könnte ich mir nicht leisten«, gab die junge Frau zurück und schüttelte den Kopf. »Nein, mein Großvater hat Sie ausgewählt. Er kennt viele, obwohl ihn selbst nur die wenigsten kennen, und er verfügt über ein großes Netzwerk, auch wenn man das im Dschungel von Amazonas nicht für möglich halten sollte.«
    »Warum hat er dann nicht selbst nach den beiden Männern, diesen …« Er blickte auf den Zettel in seiner Hand. »… Böttcher und Gruber, gesucht?«
    Fiona zuckte mit den Schultern. »Ehrliche Antwort? Ich weiß es nicht. In unserer Familie galt immer ein ungeschriebenes Gesetz. Frag nicht nach dem Woher und lass die Vergangenheit ruhen.« Sie schaute angestrengt geradeaus auf die Straße. »Vielleicht ist es auch die falsche Generation, um Fragen zu stellen. Wer weiß …«
    Sie verstummte. Ein riesiger LKW raste an ihnen vorbei, und der Hummer schaukelte ein wenig im Luftstrom.
    Der Pilot schwieg. Er drehte das weiße Blatt mit den wenigen Zeilen nachdenklich in seiner Hand und überlegte. Schließlich sprach er wie zu sich selbst. »Sie haben mich gefragt, warum ich hierhergekommen bin, mitten in den Urwald Amazoniens. Die Antwort ist einfach: weil ich aus Afrika weg wollte oder, besser gesagt, musste. Ich bin öfter als jeder andere zwischen Casablanca und Kapstadt in jene Krisenherde geflogen, in die sich sonst keiner hineinwagte. Ich war in gesperrten Luftkorridoren zu Hause, bin drei Mal abgeschossen worden, vier Mal notgelandet, habe mich zu Fuß wieder in die Zivilisation durchgeschlagen. Oft geht es gut, aber irgendwann geht es schief, irgendwann zahlt man Tribut. Dann fordert man das Schicksal einmal zu oft heraus, glaubt an die eigene Unverwundbarkeit. Deswegen bin ich aus Afrika weggegangen. Über kurz oder lang wäre mein Glück aufgebraucht gewesen und mein Name auf einer jener Listen gelandet, die alle vermissten Piloten in Afrika seit dem Zweiten Weltkrieg aufführt. Das wollte ich nicht. Also packte ich meine Sachen.«
    »Sie haben Afrika geliebt, nicht wahr?«, fragte Fiona mit einer weichen Stimme, die ihn überraschte.
    Er nickte wehmütig lächelnd. »Ich hatte einen Kontinent zur Heimat und einen endlosen Himmel. Was kann man sich als Flieger mehr wünschen? Haben Sie Wind, Sand und Sterne von Saint-Exupéry gelesen?«
    »Der auch den Kleinen Prinzen geschrieben hat?«
    »Ja, der berühmte französische Postflieger und Schriftsteller. Ich habe das Buch so oft gelesen, dass die Seiten nicht mehr zusammenhielten. Es erschien 1939, als Deutschland der Welt den Krieg erklärte. Saint-Exupéry berichtet über seine Erlebnisse in Nordafrika, seine Wüstenflüge und seine Teilnahme am Rennen Paris–Saigon, das für ihn bereits zweihundert Kilometer vor Kairo endete. Er musste notlanden, blieb unverletzt, war aber bereits halb verdurstet, als Beduinen ihn fanden, retteten und in die Hauptstadt brachten. Trotzdem – auch er liebte Afrika und die Freiheit über den Wolken.« Finch legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. »Wissen Sie, wann er Wind, Sand und Sterne geschrieben hat? Als er schwer verletzt nach einem Absturz in Guatemala zur Genesung nach New York gebracht wurde. Er konnte das Fliegen auch nicht lassen.«
    »Nach dem Flug ist vor dem Flug«, lächelte sie. »Es muss eine Leidenschaft sein, das kann ich mir gut vorstellen.«
    »Nach einer guten Landung verlässt man das Flugzeug aus eigener Kraft, nach einer großartigen kann man es weiterverwenden«, schmunzelte Finch. »Und ich hatte nicht den Ruf eines Bruchpiloten. Vielleicht war ich deshalb so gefragt.«
    »Das sind Sie jetzt auch wieder«, erinnerte ihn Fiona, »und das Honorar lohnt den Einsatz. Es ist wahrscheinlich das höchste ihrer Fliegerlaufbahn. Also? Worauf warten wir noch? Wollen Sie kneifen?«
    »Ich will überleben«, gab er zurück. »Ihr Großvater hat mir fünf Millionen und einen stilvollen Abgang angeboten. Ich denke über die zweite Hälfte des Angebots nach.«
    »Warum nehmen Sie nicht das Geld und gehen zurück nach Afrika?«, warf Fiona ein. »Wollen Sie Ihr

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