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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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Osten übers Land gekommen, hatte die Schatten schwarzblau gefärbt und den Himmel tintenfarbig. Als der BMW den letzten Anstieg erklomm und über den Bergkamm rollte, lag das Lichtermeer von Medellín vor ihnen wie ein unwirkliches, atemberaubendes Panorama.
    Eduardo Gomez war sichtlich erfreut über das Wiedersehen mit John Finch, das hervorragende Abendessen und einen gut dotierten Auftrag. Seine Flirtversuche prallten zwar an Fiona ab, dafür entschädigte die Küche im Diez-Hotel für einiges. Das Restaurant, in dem Spezialitäten der kolumbianischen Küche serviert wurden, lag im siebten Stock und bot einen weiten Blick über die Stadt.
    »Irgendwo da draußen ist oder war Ernst Böttcher«, meinte Finch zu dem Journalisten und deutete auf die nächtliche Skyline, »und ich kann dir leider nicht viel Zeit geben, um ihn aufzutreiben.«
    »Spätestens morgen zum Frühstück kann ich dir mehr sagen«, beruhigte ihn Gomez. »Es wird ein paar pralle Kuverts an den richtigen Stellen erfordern, aber dafür werden wir schnell Ergebnisse bekommen. Hier funktioniert alles ein wenig anders. Es gibt in Medellín so viele Einwohner, die nicht offiziell gemeldet sind, vor allem dann, wenn sie in den letzten Jahren zugezogen sind. Wenn dein Böttcher aber bereits länger hier ist, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er irgendwo erfasst ist. In den Archiven der Kranken- oder Pensionskassen, der Versicherungen oder der Finanzbehörde. Er hat vielleicht ein Bankkonto oder einen Wagen angemeldet, bezieht Beihilfe oder ist womöglich irgendwann mit dem Gesetz in Konflikt gekommen.« Gomez klang zuversichtlich. »Ich habe da einige Experten an der Hand, die sich in verschiedenen Computerclubs herumtreiben und meist nachts in Netzwerke eindringen, in denen sie eigentlich nichts zu suchen haben.«
    Der Kellner kam und füllte formvollendet die Gläser mit einem ausgezeichneten chilenischen Rotwein nach. Das Restaurant über den Dächern der Stadt schien ein beliebter Treffpunkt der oberen Zehntausend von Medellín zu sein. Die Besucher waren jung, gestylt und durchwegs teuer angezogen.
    Vielleicht fiel deswegen die Gruppe von fünf älteren Herren auf, die nur in Hemd und Jeans gekleidet an einem reservierten Tisch Platz nahmen. Fiona warf einen Blick hinüber und beobachtete den Nachzügler, der als Letzter in das Restaurant geschlendert kam. Es war ein Hüne von einem Mann, breitschultrig und mit kurz geschnittenen weißgrauen Haaren. Es waren jedoch seine Augen, die Fiona faszinierten, als er an ihrem Tisch vorbeiging und ihr kurz zunickte.
    Sie waren eisgrau.

Flughafen Franz Josef Strauß,
München/Deutschland
    Christopher Weber taten alle Knochen weh. Seine Schicht war endlich vorüber und er rechtschaffen müde. Zwei seiner Kollegen waren ausgefallen und einfach nicht erschienen, ihre Arbeit war aufgeteilt worden, und Chris hatte zwei zusätzliche Flüge nach Hongkong und Istanbul zugewiesen bekommen. Hunderte Koffer mehr und viel zu wenig Zeit.
    Es gab Tage, die würde er in Zukunft nicht vermissen.
    Trotz der Müdigkeit lag jetzt noch ein Stapel Bücher zwischen ihm und seiner verdienten Ruhe. Das Fernstudium rief, und er wollte nun, auf den letzten Metern vor dem Ziel, keine Verzögerung mehr riskieren. Das Licht am Ende des Tunnels war deutlich zu sehen und Chris sicher, dass es nicht der entgegenkommende Zug war. Die letzten Prüfungen standen vor der Tür, und spätestens Anfang Oktober sollte die Lernerei ein Ende haben, zwei Wochen später der Job am Flughafen. Chris fragte sich, ob der alte Bulli es dann noch über die Rampe nach draußen schaffen würde oder so enden würde wie der Chevrolet gegenüber – vergessen unter Schichten von Staub, mit flachen Reifen und obszönen Schmierereien auf den Scheiben.
    Seufzend schlüpfte Christopher in seine frischen Jeans und streifte den ausgebeulten Pullover über. Duschen wäre heute auch noch angesagt, nach all dem Koffergewichtheben, aber das musste warten, bis die Pausenräume leerer waren. Mitternacht oder knapp davor war erfahrungsgemäß die beste Zeit.
    Er wickelte eine Wurstsemmel aus dem Papier, die er heute wegen dem Stress auf dem Vorfeld nicht gegessen hatte. Kein kulinarisches Highlight, aber besser als gar nichts, dachte er und biss hinein.
    Kaugummi mit Wurstgeschmack.
    »Eine frische Pizza käme jetzt gerade recht«, murmelte er, als er einen Bissen hinuntergewürgt hatte. Vielleicht ginge es mit einer Dose Bier leichter? Chris schüttelte den Kopf.

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