Falsch
sei. Der Knall der Explosionen war ohrenbetäubend, die Kugeln zerfetzten die Fahne von Blackbeard und donnerten mit unvorstellbarer Wucht durch den Raum. Zwei der Angreifer wurden sofort in Stücke gerissen, bevor die Kugeln die Mauern wie Löschpapier durchschlugen. Augenblicklich bildeten sich große Sprünge, das Dach des Vorraums senkte sich und stürzte schließlich ein. Schreie und lautes Stöhnen ertönten. Finchs Ohren klingelten, und er fragte sich, ob er jemals wieder hören würde.
Da packte ihn Böttcher am Arm und zog ihn fort in den rückwärtigen Teil des Hauses, wo die kleinen Kisten übereinandergestapelt standen. Der alte Mann riss eine von ihnen auf und zog seltsam geformte Beutel heraus. »Leinen und Schießpulver, die frühen Handgranaten«, rief er und drückte Finch zwei der Wurfgeschosse in die Hand. Dann richtete er sich auf und hielt die Flamme an den Stoff.
»Zweite Breitseite, werft die Angreifer ins Meer!«, krächzte der alte Mann und schleuderte die Beutel mit voller Kraft in Richtung Vorraum.
Sparrow kreischte »Hängt sie! Hängt sie!« und flatterte auf Vincentes Schulter.
Dann rasten die Schockwellen der Explosionen durch den Raum. Die Wucht ließ die Reste des Vorraums einstürzen und riss Finch fast von den Beinen. Dann warf auch er seine beiden Granten in Richtung Fenster, wo einer der Angreifer den Lauf eines Sturmgewehrs durch die Scheiben schob. Der Feuerball verschlang die Waffe, den Mann, das Fenster sowie einen Teil der Mauer und hinterließ ein klaffendes Loch.
Böttcher tauchte bereits ein weiteres Mal in die Kiste und zog wieder vier Beutel hervor. Dann wandte er sich an Fiona. »Öffnen Sie den großen Vitrinenschrank mit den Landkarten, dahinter befindet sich eine Tür aufs Nachbargrundstück.«
Vier weitere Explosionen erschütterten das Gartenhaus und hielten alle eventuell verbliebenen Angreifer auf Distanz. Von irgendwo her ertönten Polizeisirenen, die rasch näher kamen.
»Alles geht von Bord!«, kommandierte der alte Pirat und warf einen letzten Blick auf das Schlachtfeld, das einmal sein Zuhause gewesen war. Dann schob er rasch Vincente durch die Tür ins Freie.
Keine fünf Minuten später saßen alle in dem BMW -Geländewagen, den der Journalist Eduardo Gomez rasch und sicher aus La Cruz in Richtung Innenstadt lenkte.
»Als die sechs Männer auftauchten und im Haus verschwanden, haben bei mir alle Alarmglocken geläutet«, erzählte er Finch, der neben ihm auf dem Beifahrersitz saß. »Die sahen nicht gerade vertrauenserweckend aus. Ich dachte mir, dass irgendetwas nicht stimmt. Dann kamen die ersten beiden Explosionen, und da bin ich in den Wagen gesprungen und hab begonnen, Runden um den Block zu drehen.« Gomez lächelte. »Und siehe da, da waren auch schon die Autostopper …«
»Danke für die rasche Reaktion«, meinte Fiona von der Rückbank. »Die Polizei hätte uns wahrscheinlich noch tagelang verhört. Geladene Kanonen! Wer denkt schon an so etwas?«
»Kanonen?«, fragte der Journalist ungläubig. »Das ist jetzt ein Scherz, oder?« Dann sah er die großen einschüssigen Pistolen an Finchs Gürtel und bekam große Augen. »Etwas antiquiert, aber offenbar effektiv, wenn ich das so sagen darf …«
»Piratenschiffe sind auf jede Schlacht vorbereitet«, kicherte Böttcher mit leuchtenden Augen. Dann klopfte er Finch auf die Schulter. »Sie haben sich gut geschlagen, Buccaneer.«
»Buccaneer?«, fragte Gomez und runzelte die Stirn.
Finch winkte ab. »Eduardo, vergiss es einfach. Du kannst später deine Meldung an die Zeitungen rausgeben. Jetzt müssen wir so schnell wie möglich hier weg.«
Vor dem zerstörten Gartenhaus stand inzwischen der Mann mit den eisgrauen Augen, betrachtete die noch rauchenden Trümmer und fluchte. Er blutete aus einer Wunde am Oberarm, während sich rund um ihn Polizisten und Ambulanz-Teams durch das Chaos kämpften. Als sein Handy läutete, zog er es mit der unversehrten Hand aus der Tasche, warf einen Blick auf das Display und schaltete es schließlich mit einer Grimasse aus.
Dann drehte sich Major Llewellyn abrupt um und stapfte durch den Garten in Richtung Straße.
Villa Kandel,
Altaussee, Steiermark/Österreich
Die Villa im Stil der traditionellen steirischen Holzhäuser stand inmitten eines gepflegten Gartens am Südausläufer des Losers, dem Hausberg des Altausseer Landes. Die Aussicht von den umlaufenden Balkonen ins schroff zerklüftete Tote Gebirge und auf den bekannten See war atemberaubend.
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