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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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die neue Ausgabe der New York Times stellte. Seine langen, feinen Finger streiften die Wassertropfen ab, die sich an der Außenseite gebildet hatten, während er mit seinen Gedanken ganz woanders war.
    Wäre es tatsächlich möglich?
    Die Suche nach den Devotionalien des Dritten Reichs hatten unvermeidlich dazu geführt, dass Takanashi sich mit den Geheimnissen, ungelösten Rätseln und ungeklärten Vorgängen im Deutschen Reich befasst hatte – und davon gab es jede Menge. Vom Ahnenerbe Himmlers über die deutsche Atomforschung und die geheime Waffenproduktion bis zu so illustren Figuren wie Otto Rahn, dem verschwundenen SS -General Hans Kammler oder dem Wahrsager des Führers, Hanussen, reichte der Bogen an Merkwürdigkeiten.
    Heinz Claessen fiel in diese Kategorie. Takanashi hatte nach der Legende Claessen jahrelang gesucht, nach dem SS -Ring und dem Verbleib des Mannes, der ihn trug. Konnte es Heinz Claessen tatsächlich bis nach Südamerika geschafft haben? Der Ring sprach dafür. Der lag also nicht mit Tausenden anderen irgendwo in der Nähe der Wewelsburg, sondern war plötzlich in Bogotá aufgetaucht.
    Auf dem Gesicht des Japaners zeichnete sich keinerlei Reaktion ab, als er erneut nach dem Telefon griff. Nur ein Muskel unter seinem linken Auge zuckte ein paarmal und verriet seine Anspannung.
    Takanashi stand auf und ging auf der gepflasterten Terrasse auf und ab, während er auf seine Verbindung wartete. Er war ein schlanker, mittelgroßer Mann mit dichtem, schwarzen Haar, der großen Wert auf makellose Kleidung legte. Seine Vorliebe für weiße Anzüge und Panama-Hüte war zu seinem Markenzeichen geworden und hatte ihm selbst im bescheiden-mondänen Altaussee eine sofortige Aufmerksamkeit beschert.
    Endlich läutete es auf der anderen Seite. Der Japaner klopfte mit dem Nagel seines kleinen Fingers ungeduldig gegen den Hörer. »So heb schon ab«, murmelte er missmutig. Der überlange, gepflegte Nagel am kleinen Finger seiner linken Hand war ein traditionelles asiatisches Zeichen dafür, dass er nicht körperlich arbeiten musste.
    Für Takanashi war es allerdings mehr. Er hatte ihn vor Jahren bereits als Waffe eingesetzt.
    Als er jemandem damit das Auge ausgestochen hatte.

Avenida Las Vegas,
Medellín/Kolumbien
    Der Verkehr auf der vierspurigen Schnellstraße Avenida Las Vegas, eine der großen Achsen Medellíns, rollte trotz der Vormittagsstunden halbwegs flüssig. Die Staus, die sich vereinzelt vor den Ausfahrten und großen Kreuzungen bildeten, lösten sich auch rasch wieder auf. So kam der große BMW X5 mit Fiona am Steuer zügig voran. John Finch hatte Eduardo Gomez, den Journalisten, aussteigen lassen, nachdem er ihm einen Packen Dollars in die Hand gedrückt und sich für die Hilfe bedankt hatte. Dann hatte er hinzugefügt: »Halte dich mit den Meldungen noch etwas zurück, bis wir die Stadt verlassen haben.«
    Vincente und Señor Böttcher alias Botero teilten sich die Rückbank. Der Papagei Sparrow, dem das Autofahren offenbar nicht geheuer vorkam, konnte sich nicht entscheiden, auf welcher Schulter er sich niederlassen sollte. So flatterte er immer wieder hin und her, bis er schließlich auf Vincentes Arm sitzend interessiert aus dem Seitenfenster schaute.
    »Spätestens am Flughafen werden wir ein Problem bekommen«, meinte Fiona pessimistisch und wich einem streunenden Hund aus, der laut kläffend über die Straße schoss. »Weder Vincente noch Señor Böttcher haben einen Pass dabei. Von unserem Plauderkünstler will ich gar nicht reden.«
    John Finch nickte und schlug eine Karte der Umgebung auf, die er im Handschuhfach des Mietwagens gefunden hatte. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Das wird nicht so einfach …«
    In diesem Moment läutete ein Handy. Vincente griff in seine Tasche, betrachtete die angezeigte Nummer auf dem Display und zuckte die Schultern. Dann nahm er das Gespräch an.
    » Hola Vincente, hier ist Dottore Herradura, ich behandle deinen Freund mit der Schussverletzung. Ich weiß, dass du nicht mit mir sprechen kannst, aber ich wollte dich warnen. Ein Kollege aus dem barrio hat mich soeben angerufen. Die Jungs von der La-Divisa-Gang klappern alle Ärzte im Viertel ab, um mehr über einen angeschossenen Sicario herauszufinden, der gestern zwei ihrer Anführer erledigt hat. Sie sind stinksauer, und es wäre nicht gut, wenn sie ihn bei mir finden würden. Am besten wäre, du holst ihn so rasch wie möglich ab. Er hat eine Bluttransfusion bekommen, ich habe ihn mit

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