Falsch
führte, begann de facto in dem kleinen steirischen Ort. Hatte es die legendäre Alpenfestung auch nur auf dem Papier gegeben, so war Altaussee doch die Drehscheibe in den letzten Kriegstagen. Für viele war es das Sprungbrett in ein neues Leben. Einige, wie etwa der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes Kaltenbrunner, endeten in Nürnberg auf der Anklagebank und am Galgen, andere in amerikanischen Forschungslabors oder als Berater der ägyptischen Sicherheitskräfte und in Luxusvillen.
Takanashi war also an den richtigen Ort gekommen und hatte die Villa Kandel zu seinem zweiten Wohnsitz erkoren, neben dem Penthouse in Nagasaki, in das er immer dann zurückkehrte, wenn ihn seine verschiedenen Geschäfte nach Asien riefen.
Und dann war da noch der berüchtigte Toplitzsee, der selbst fünfundfünfzig Jahre nach Kriegsende nichts von seiner Faszination verloren hatte. Was hatte man nicht alles auf dem Grund des kleinen Sees vermutet, um den sich zahllose Legenden rankten? Takanashi lächelte bei dem Gedanken. Die österreichischen Wälder und Seen waren eine schier unerschöpfliche Reserve an Orden, Waffen, Kriegsrelikten, Gold und versenkten oder vergrabenen Kisten mit Unterlagen. Allein die Funde in und um Altaussee hatten in den sechziger und siebziger Jahren zu einem wahren Grabungstourismus geführt, von dem selbst Takanashi im weit entfernten Japan profitiert hatte.
Die umfangreiche Sammlung des Japaners, die inzwischen Weltruf besaß, hatte noch niemand zu Gesicht bekommen. Takanashi verlor niemals ein Wort darüber, wo er seine Schätze gelagert hatte. Diskretion war einer seiner Grundsätze. Gern präsentierte er hie und da eines seiner Schmuckstücke, stellte Exponate für Ausstellungen zur Verfügung, nahm nie Geld dafür. Er verfügte offenbar über genügend Mittel. Museen konnten oft nur hilflos zusehen, wenn Takanashi bei internationalen Versteigerungen seine Gebote abgab. Er kaufte nicht wahllos, ganz im Gegenteil. Aber wenn er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, eine Rarität zu erwerben, dann gab es wenig, was ihn davon abhalten konnte. Manche bezeichneten den Japaner als hemmungslos, wenn es darum ging, ein wichtiges Stück seiner Sammlung einzuverleiben, denn dann war Takanashi jedes Mittel recht.
In Sammlerkreisen mutmaßte man, er habe bereits Diebstähle in Auftrag gegeben, illegale Grabungen unterstützt und Tauchgänge in Sperrgebieten finanziert. Doch Genaues wusste niemand, nachweisen konnte man dem umtriebigen und schweigsamen Japaner nichts. Hatte er einmal Witterung aufgenommen, dann konnte ihn nichts von der Fährte eines besonderen Stückes abbringen, schon gar nicht der Preis. Selbst riesige Konvolute oder Teile von Sammlungen, die in sechsstelligen Beträgen gehandelt wurden, stellten kein Problem für Takanashi dar.
Allerdings war Takanashi bei aller Sammelleidenschaft auch Geschäftsmann geblieben, allerdings einer, der sich sehr bedeckt hielt. Oft holte er durch geschickten Tauschhandel oder gezielte Verkäufe von Dubletten den Großteil des investierten Geldes wieder herein und bekam so das Stück, das ihn wirklich interessierte, fast umsonst.
Mit Politik wollte der Sammler niemals etwas zu tun haben, nichts lag ihm ferner als die nationalsozialistische Ideologie. Takanashi sympathisierte nicht mit Hitler, seinen Ideen oder gar seiner Gedankenwelt. Der Österreicher aus Braunau hatte auch Japan Schaden zugefügt, das vergaß und verzieh ihm der patriotische Takanashi nie. Für ihn war die Jagd nach besonderen Stücken eine Leidenschaft, eine Lebensaufgabe. Er wollte eine perfekte Sammlung besitzen, die perfekte Sammlung. So komplett wie möglich, unersetzlich und einzigartig. Unvergleichlich.
Der Japaner hatte so über die Jahrzehnte eine marktbeherrschende Stellung bei NS -Militaria erlangt. Darüber hinaus kontrollierte er große Teile des Schwarzmarktes, der sich wie bei allen politischen Devotionalien bald nach dem Zusammenbruch 1945 gebildet hatte. Sein gut gepflegtes Informantennetz war weltumspannend, aber nicht nur deshalb verband ihn mit Señora Valeria in Bogotá eine jahrelange Geschäftsverbindung. Viele Stücke, die in Südamerika nach und nach aufgetaucht waren, hatte Takanashi über sie erwerben können. So hatte es ihn auch nicht verwundert, als die bekannte Händlerin ihn nun angerufen hatte. Nur was sie gesagt hatte, das hatte den Japaner unvorbereitet getroffen.
Die Eiswürfel klirrten leise im Glas, als Takanashi es auf den weißen Gartentisch neben
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