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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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für eine Truppe?“, fragte ich in der Absicht, von
der Aufgabe dieser Leute auf die Situation an der Front schließen
zu können.
„Werfer, Raketenwerfer.“
Als ich im Blick meine Verständnislücke erkennen ließ,
erläuterte Kladivo: „Hast du nicht diese Romane gelesen,
Kriegsromane aus dem letzten Weltkrieg, Ende des vorigen
Jahrtausends? Das waren damals diese Katjuschas, die den
Deutschen ordentlich zugesetzt haben. Unsere hier“, er strich
über einen Kotflügel des Wagens, „sind fast originalgetreue
Nachbauten. Nur die Motoren werden statt von Benzin von
Brennzellen getrieben. Sie haben die alten Fertigungsunterlagen
aus den Archiven geholt. Wir sind die erste Einheit, die zum
Einsatz kommt.“ Kladivo hatte das nicht etwa mit Stolz
erläutert, eher zurückhaltend, als trüge er Eingelerntes vor. „Was
meinst du – wenn du dort warst – werden sie etwas bewirken?“
„Wie weit schießen sie?“, fragte ich und verfolgte dabei meine
ursprüngliche Absicht. Ich hatte solche Bücher nicht gelesen. Von
jeher hatte ich den Krieg als etwas Abscheuliches angesehen. Von
einer Waffe namens Katjuscha hatte ich keinen Begriff.
„Bis fünfzehn, zwanzig Kilometer, je nach Treibsatz.“ Kladivo
blickte irritiert. „Komm“, sagte er, „die sind bald fertig, wir
tuckern weiter.“
Ich folgte.
Kladivo kontrollierte den Einbau der Teile, gab noch einige
Hinweise und trieb die Soldaten an.
„Fünfzehn bis zwanzig Kilometer“, dachte ich. „Und sie sollen
bei Ivalo in Stellung gehen. Ivalo ist dreißig Kilometer von Inari
entfernt. Gibt man eine Sicherheitsspanne hinzu, konnte davon
ausgegangen werden, dass die Usurpatoren in den letzten sechs
Tagen beträchtlich weiter gen Süden vorgerückt waren.“
Ich knirschte mit den Zähnen, dachte an das Inferno, das
damit verbunden gewesen sein musste, an das Elend
des
Einzelnen, an das Leid, das so wieder und wieder unzähligen
Menschen zugefügt worden war. Ich versuchte, die Sorge um
Dagmar zu verscheuchen. Sie hatte mittlerweile Erfahrung,
würde sich trotz ihrer konsequenten Haltung – oder gerade
deswegen – nicht unnötig in Gefahr bringen. „Und außerdem,
Igor, wieder spekulierst du. Wer sagt, dass die Rechnung auch
nur einigermaßen stimmt. Der Zielort dieser Einheit muss mit
dem tatsächlichen Frontverlauf überhaupt nichts zu tun haben.
Vielleicht errichtet man die neue Verteidigungslinie gestaffelt.“
Dennoch fühlte ich mich belastet durch das Ungewisse. Und
wenn ich das, was ich in Rovaniemi gehört hatte, mit dem
Einsatz dieser Werfer verglich, konnte ich mich gewissen
logischen Zusammenhängen nicht verschließen.
Ich sah im Vorbeigehen in die Gesichter der noch vor den
Fahrzeugen herumstehenden Soldaten. Die jungen,
Männer
waren nicht ausgelassen, wie man es sonst in einer solchen
Gruppierung erwarten konnte, insgesamt verrieten
sie
Niedergeschlagenheit, vielleicht auch Angst. Es wird
sich
herumsprechen, durch Übertreibung und Fabeln verzerrt, was
sich vorn tut. Und sicher haben sie sich selbst so gut wie möglich
kundig gemacht, bei Flüchtlingen oder Evakuierten. Auf dem
Flugplatz hatte ich eine Gruppe Finnen getroffen, die die
Glocke passiert hatten, die, begleitet von medizinischem
Personal, irgendwohin in ärztliche Pflege gebracht wurden.
Natürlich hatten viele
Reisende diese Bedauernswerten auch
gesehen.
Und was werden diese Werfer, diese Katjuschas, ausrichten?
Eine dieser Strahlenscheren – und aus! Aber nicht auf eine solche
Entfernung! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man diese
Strahlen über fünfzehn Kilometer so handhaben konnte. Auf
jeden Fall brauchten die Fremdlinge dazu Direktsicht, während
wir indirekt schießen konnten. Ich betrachtete die Werfer nun
mit mehr Hochachtung, die noch wuchs, als ich der
dazugehörigen Geschosse ansichtig wurde. Wenn Hughs
„Panzerknacker“ die Halbkugeln geschafft hatten, taten es
diese Raketen auch. Flüchtig erklärte Kladivo auf eine
entsprechende Frage, dass man in Serien von sechzehn Schuss je
Batterie eine ausgezeichnete Flächenbelegung erreichen könne,
der niemand zu entwischen im Stande sei, der sich innerhalb
eines solchen Areals befinde.
Kladivo erhielt die Meldung, dass der Motor lief. Er befahl den
Aufbruch, sah zur Uhr und murmelte. „Hat ohnehin viel zu
lange gedauert.“ Er gab mir ein Zeichen, mich zu beeilen. Wir
mussten noch einige Dutzend Fahrzeuge passieren, bis wir den
Leitjeep erreichten, in dem ein sehr junger blasser

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