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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Aufgabe gemäß ausgewählt sein. War Kladivo das?
In der Tat war ich mir nicht im Klaren, inwieweit solche
Werfer eine wirkungsvolle Waffe gegen die Fremdlinge
darstellen mochten. Nun, der indirekte Beschuss – ein Vorteil,
aber wie sah es mit der Treffsicherheit aus?
Ich ließ mir von Kladivo die Funktionsweise erklären, was er
nicht eben begeistert tat. Eine hohe Meinung hatte er von
dieser Waffe offenbar nicht. Es habe in diesem
zweiten
Weltkrieg bereits wesentlich modernere sowjetische Werfer
gegeben. Aber nein, man habe die museale, weil legendäre
Katjuscha nachgebaut, angeblich ihrer Einfachheit wegen. Das
einzige moderne Element seien Leitrohre statt Schienen und
eine Richtautomatik.
Es brach die so genannte blaue Stunde an, jene Tageszeit, in
der das natürliche Licht schon zu matt war, das künstliche noch
kraftlos funzelte. Siebzig Kilometer bis Ivalo, knapp zwei
Stunden.
Ich hörte auf Kladivo, versuchte mir soviel wie möglich von
dem vorzustellen, was jener erläuterte. Dabei sah ich nach links
in die Landschaft, nur wenig gestört von selten
vorbeihuschenden Wagen des Gegenverkehrs.
Aus den Niederungen stieg Dunst. In zwei-, dreihundert Metern
verschmolzen Wald, Wolken und Horizont zu einem leicht
wallenden grauen Band.
Ich benötigte Sekunden, bis mir das, was ich sah, ins
Bewusstsein drang. Das unterschied sich von dem allgemeinen
Wallen, schien selbständig! Aus dem Streifen wuchsen einzelne
Wülste, sprengten das Gleichmaß, wurden zum schwarzen
Wellenband, das sich im Näherrücken zu einer Kette halbierter
Riesenperlen mauserte.
Und dann rieselte es mir in der Erkenntnis kalt den Rücken
hinunter: Halbkugeln! Halbkugeln sind das! „Das sind sie“,
schrie ich.
Der Fahrer ging heftig auf die Bremse. Aus den Augenwinkeln
heraus sah ich das Folgefahrzeug in gefährlicher Nähe – jäh
gestoppt – auf und nieder wippen.
Dann hatten Kladivo und der junge Offizier verstanden, was ich
schrie. Sie saßen mit schreckgeweiteten Augen wie gelähmt. Der
Fahrer sprang plötzlich vom Sitz, die Tür ließ er offen. Man sah
ihn noch vor dem Jeep vorbeilaufen, er verschwand nach rechts
im Straßengraben.
Kladivo langte nach dem Türgriff. Da mischte ich mich ein,
einem plötzlichen Entschluss folgend. Ich packte Kladivo am
Arm, verhinderte so dessen Flucht, riss mit der anderen Hand das
Sprechgerät an mich, und ich befahl und wunderte mich, wie
beherrscht ich das konnte. „Achtung, Mannschaften! In den
Fahrzeugen bleiben, unbedingt in den Fahrzeugen bleiben.
Wegducken! Hinter der Karosserie in Deckung gehen, weg von
den Fenstern!“
Während ich diesen Befehl wiederholte, beobachtete ich in
gebückter Haltung weiter. Kladivo und der andere hatten die
Order befolgt, saßen eingeklemmt vor den Sitzen mit
gekrümmtem Rücken und eingezogenem Kopf. Es wäre amüsant
gewesen, würden draußen nicht gefährlich nahe – in zehn Meter
Höhe – fünf Schildkröten der Fremden gestanden haben.
Von vorn näherte sich auf der Gegenfahrbahn ein Omnibus in
normaler Geschwindigkeit.
Eine der Halbkugeln senkte sich plötzlich fast bis auf den
Erdboden, und als dieser Bus nur noch wenige Meter entfernt
war, jagte ihm eine blaue Blitzgarbe entgegen, aber – obwohl ich
zusammenschrak, bemerkte ich es doch – in Höhe der Räder!
Schlingernd kam der Bus zum Stehen. Hinter den Fenstern ein
Durcheinander, angsterfüllte Gesichter. Das gewahrte ich
überdeutlich, ebenso einen Personenkraftwagen, der sich wohl
hinter dem Bus befunden hatte, jetzt wendete und, überdreht
beschleunigend, die Strecke zurückstiebte.
Einen Augenblick dachte ich an organisierte Flucht, obwohl
mich die beiden verantwortlichen Offiziere nicht gerade zu
Aktionen ermutigten. Zurück – ausgeschlossen! Die schweren
Wagen aus der dicht aufgefahrenen Kolonne heraus zu wenden
oder gar rückwärts zu fahren, blieb aussichtslos. Weiteren
Überlegungen wurde ich enthoben:
Eine zweite Blitzsalve
zischte über die Straße, und der Jeep sackte zwanzig Zentimeter
ab. Das war nicht anders zu deuten: Sie wollten verhindern, dass
die Fahrzeuge den Schauplatz verließen.
Eine leichte Erregung bemächtigte sich meiner. Ich spürte
kalten Schweiß in den Handflächen, aber Angst war das nicht.
Ich wiederholte meine Aufforderung, die Wagen nicht zu
verlassen, zu spät für einige. Ich sah, wie aus der niedrig
schwebenden Halbkugel eine Serie nach hinten, in die Kolonne
hinein, abgefeuert wurde, hörte Schreie, wusste, dass einige
der

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