Falsche Brüder
welche Pflanzen geeignet
wäre. „Versuche, was du kannst“, bat ich. „Gib die Überwachung
auf. Es ist eine große Chance, an sie heranzukommen.“ Als
dieser Satz hinaus war, ärgerte ich mich. Würden wir abgehört,
konnte es Schaden bringen.
„Ich brauche sie nicht aufzugeben weil ich eine Funkbrücke
habe. Sie ist eingerichtet worden, nachdem das
Flugzeug
angegriffen wurde. Wann rufst du wieder?“
„Um sechs Uhr morgen früh, wenn etwas dazwischenkommt,
um acht. Ende.“
„Machs gut.“
Ich raffte einige Bogen Papier und Schreibzeug, ging nach
unten, sah in diverse Räume – auch hier: überall Anzeichen eines
eiligen Aufbruchs. Im Chefzimmer stand eine
halbgeleerte
Kaffeetasse. Und da kam mir ein Einfall: Ich ging hinaus, auf die
Kommunikationskugel zu und sagte: „Hier im Haus habe ich
bessere Arbeitsbedingungen als im Stall. Ich richte mich hier ein.
Schicke bitte meine Kollegen, sobald sie mit den Geräten
eintreffen, zu mir.“
Ich drehte mich um und ging wieder forsch auf den Eingang
zu, gewärtig, jeden Augenblick durch ein Feld gebremst und
zurückgeholt zu werden. Nichts dergleichen geschah. Ich machte
es mir im Chefzimmer gemütlich, es gab eine monströse
Sesselecke, eine Palme, hinter einem Vorhang ein
Waschbecken und eine Kaffeemaschine. Ich fand Kaffee, einige
Flaschen Spirituosen und eine große Dose mit Keksen vor.
Und dann liebäugelte ich mit den
zwei
Kommunikationsapparaten auf dem Schreibtisch. Ein
Videophon und ein Fernsprecher. Im Hörer stand das
Freizeichen! Heilige Einfalt, und ich habe Sven beauftragt, über
eine komplizierte Funkbrücke…
Im Verzeichnis fand ich schnell die entsprechenden Nummern,
und wenige Minuten später sprach ich mit dem Direktor des
landwirtschaftlichen Forschungsinstituts in Helsinki, bekam die
Zusage, in zwei Stunden alle erforderlichen Angaben abfragen zu
können. Erst danach rief ich in Ivalo den Stab an und schilderte
die hiesige Situation. Es gab kein Knacken in der Leitung,
niemand störte mich. Ich konnte zu keinem anderen Schluss
kommen, als dass sich die Fremdlinge in das Fernsprechsystem
nicht eingeschaltet, sich womöglich gar nicht darum gekümmert
hatten. Später überlegte ich mir, warum sie es hätten tun sollen.
Bislang hatten sie alles vernünftige Leben so oder so gelöscht.
Und gab es Übersehene – was schon sollten die telefonieren. Es
könnten nur Hilferufe ohne Ergebnis sein.
Eine
Partisanenbewegung, die so mit dem Hinterland verbunden wäre,
hatte sich nicht formiert – war mir jedenfalls unbekannt.
Dass sie sich „vernünftige“ Sklaven nunmehr hielten, war neu,
Privilegierte – vielleicht war ich bislang der einzige. Devise
konnte nur sein: die Sache nicht überziehen und so lange wie
möglich nutzen.
Ich schrieb die Düngersorten und Bodenwerte sorgfältig ins
vorgefundene Notebook und prägte mir einige Begriffe ein.
Dann nahm ich mir ein Glas Rum, setzte mich gemütlich in
einen Sessel und sah mir im Fernseher des Landwirtschaftschefs
eine seichte Revuesendung an. So ließ ich mir konspirative
Tätigkeit gefallen!
Nemo und Fred staunten. Sie brachten drei Mikroskope und
einige wenige Chemikalien, die sie in einer Schule gefunden
hatten. Es befanden sich Lackmus darunter und Salzsäure. Mehr
würde ich nicht benötigen, und mit mehr hätte ich auch nichts
anzufangen gewusst.
Zum Abendessen gingen wir hinüber zum Stall. Wir wurden
von den Leidensgefährten scheel angesehen, einige
machten
abfällige Bemerkungen. Wir versuchten darzustellen, dass wir
für die Bevorzugung nicht verantwortlich seien und dass ein
tiefer Fall nicht ausgeschlossen wäre.
Den
Landwirtschaftsexperten hielt ich aber auch ihnen gegenüber
aufrecht.
Für jeden gab es ein großes Stück gekochtes Rindfleisch,
eine Hand voll Pellkartoffeln, und man konnte aus einer Kelle
eine Menge Tee trinken, den man aus einem Kessel schöpfte.
Die Futterküche gab das her.
Später begaben wir uns erneut ungehindert in unser „Schloss“.
Mich störte nach wie vor, dass sich dieser Fred bei uns befand.
Er blieb wortkarg und, ich hatte den Eindruck, allzu aufmerksam.
Glücklicherweise ergab es sich – auch unauffällig unterstützt von
Nemo –, dass wir ihn zum Schlafen in den Sanitätsraum
einquartieren konnten.
Natürlich rief ich morgens vereinbarungsgemäß Sven, und ich
teilte ihm nicht mit, dass ich die erforderlichen Angaben bereits
besaß. Ich wollte ihn einfach nicht enttäuschen. Ihm musste es auf
seinem
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