Falsche Brüder
Fluss.
Vom Brummen der Motoren, vom gelegentlichen
Aneinanderklirren von Metallteilen wurde jeder andere Laut
geschluckt. Das Gespenstische dieses Aufbruchs aber lag darin,
dass die Gegenseite schwieg. Das schaffte Ungewissheit und
Furcht.
Nicht eine Kriegsmaschine ließ sich sehen, nicht ein Blitz
zuckte. Wir stießen buchstäblich ins Leere.
Ich orientierte mich auf das Landwirtschaftsobjekt bei
Viljaniemi, meine erste Station während meines
Kundschaftergangs.
Das uns zugeteilte Fahrzeug nahm das zum Teil unwegsame
Gelände ohne Schwierigkeiten, und wir mussten aufpassen, dass
wir den vorgeschriebenen Abstand zu den
Panzern,
Selbstfahrlafetten und Schützenwagen, die die unmittelbare Front
bildeten, einhielten.
Nach einer Stunde fiel mir auf, dass keines der Flugzeuge, die
uns die ersten Minuten zu Hunderten überflogen hatten,
zurückkehrte. Nun, diese Erkenntnis beunruhigte mich zunächst
nicht weiter, es schien denkbar, dass die Maschinen eine
Bogenroute flogen. Aber – ihre Angriffe sollten uns in immer
neuen Wellen ständig begleiten. Allein – die neuen Wellen
blieben aus.
Als in der Folgezeit weiterhin nichts geschah, wir in einem
Tempo von vierzig Kilometern in der Stunde vordrangen, sich
nach wie vor kein Flugzeug sehen ließ, spürte ich, wie Panik in
mir aufkommen wollte. Eine Rückfrage stand mir nicht zu, der
Sender, auf unsere Frequenz geschaltet, schwieg.
Der Gedanke an den teuflischen Schlierenfächer, der Potesti
und Manuel ausgelöscht hatte, ließ mich nicht los. Zweifelsohne
eine Strahlung höchster Gefährlichkeit, die möglicherweise auch
Fahrzeuge durchdrang. Ich beobachtete ständig den Indikator,
der nach unserem Bericht in alle Fahrzeuge installiert worden
war, aber der Zeiger veränderte sich nicht. Radioaktiv also
strahlte hier nichts.
Experten vermuteten eine Art überharter Röntgenstrahlung.
Nichts wussten wir über Reichweite, Intensitätsgefälle,
Beschaffenheit des Strahlenbündels.
Wir erreichten das Landwirtschaftsobjekt. Es war Ziel des
Artillerieschlags gewesen. Je mehr wir uns näherten, desto stärker
traten Spuren dieser Gewalteinwirkung auf.
Granattrichter,
entwurzelte Büsche, hier und da qualmte Gras. Eine
Dunstglocke aus feinstem Staub und Rauch überstülpte den
ohnehin trüben Tag.
Am Rande der Senke hielten die Fahrzeuge.
Als wir ankamen, hatte sich um einen Panzer eine Gruppe
von Offizieren gebildet, die heftig diskutierten. Ich gesellte mich
zu ihnen, erahnte aber bereits bei der Annäherung, die mir einen
Blick nach unten auf das Objekt gestattete, den Grund der
Diskussion.
Die Einschläge setzten sich den Hang hinab fort, wurden sogar
dichter. Dann, fast wie mit dem Zirkel gezogen, lag da ein Wall
aus Erdklumpen, Ästen, glänzenden Splittern und rauchenden
Flugzeugtrümmern. Dahinter ein sanfter, grüner,
unbeschädigter Weidehang, der im Gebäudekomplex auslief.
Und die Bauten standen, wie ich sie kannte, eingeschlossen
das wiedererrichtete Gewächshaus der Fremden. Und das
Erstaunliche oder Erschreckende: Drinnen gab es Bewegung.
Soweit die milchige Folie es erkennen ließ, schwebten grüne
Kugeln umher.
Plötzlich löste sich ein Schuss, dem eine berstende Detonation
mit einer Feuerblume mitten in der Luft zwischen uns und den
Häusern folgte. Jemand hatte die Nerven verloren. Ich hatte
die Gruppe noch nicht erreicht, warf mich hin, um mich her
jaulende Splitter. Dumpf prasselte Erde. Vorn fluchte man
erbärmlich. Ich rappelte mich auf, klopfte mir den Schmutz von
der Uniform, sah mich um. Alles scheinbar unverändert.
Bewegung gab es nur in der Gruppe der Offiziere, die sich, wie
ich, wieder herrichteten. Einer rannte auf seinen Panzer zu, aus
dessen Kanone leichter Rauch stieg.
Unten aber schwebten die grünlichen Schemen hinter
der
Gewächshausfolie.
Kein Zweifel, hier stand eine unsichtbare Wand, die so
schützend und sicher schien, dass die Wesen dahinter keine
Veranlassung sahen, sich aktiv zu verteidigen. Es war, als
verhöhnten sie uns, und das brachte mich in Zorn.
Der Befehlshaber dieses Frontabschnitts entschied vernünftig.
Er stoppte zunächst den Vormarsch und hieß
Soldaten,
ausgerüstet mit Handfeuerwaffen, das Phänomen untersuchen.
Die schweren Waffen standen bereit, jederzeit einzugreifen.
Eine Methode kristallisierte sich heraus. Zunächst warfen die
Leute mit Steinen, die scheinbar in der Luft hängen blieben, ein
wenig zurückfederten, aber nicht abprallten und dann in einem
Kreisbogen – wieder ein
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