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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Anschein, als wollte er hochfahren mit
einem Gesicht, das ausdrückte, ich sei wohl plötzlich verrückt
geworden.
Mit Nachdruck hielt ich ihn am Boden und wiederholte
eindringlich: „Sie sind tot, glaube mir das!“
Vorsichtig und noch immer ungläubig hievte er sich in den
Liegestütz und blickte zu dem reglosen Manuel hinüber. Dann
ließ er sich entsetzt zurückfallen, und ein mächtiges Zittern
schüttelte seinen Körper.
Danach erriet ich, mehr, als dass ich es sah, seine Absicht:
Flucht!
Instinktiv legte ich ihm die Hand auf den Rücken und flüsterte:
„Liegenbleiben. Sie sollen annehmen, es hat uns alle erwischt.“
Ich hob den Kopf und versuchte zwischen den Gräsern hindurch
in Richtung der Schiffe zu spähen.
Dort stieg ein Schweber auf und näherte sich rasch.
„Schnell!“, stieß ich in Todesangst hervor, hielt aber
gleichzeitig Jes mit Gewalt am Boden fest, wie ein Panther wäre
er wohl sonst emporgeschnellt. Ich beschwor ihn: „Nimm eine
Haltung wie die Toten ein und rühre dich nicht!“ Und ich tat es,
darauf bedacht, mich so sparsam und so eng wie möglich am
Boden zu bewegen. Ich presste nur einen Arm in den Leib,
streckte den anderen weit und unnatürlich von mir, behielt den
Kopf gegen den Himmel gedreht und die Augen geöffnet. Eine
panische Angst schüttelte mich, Jes könne mich missverstanden
haben und im letzten Augenblick alles zunichte machen.
Noch eine Sekunde hörte ich es hinter mir rascheln, dann trat
Ruhe ein. Jes hatte begriffen.
Ich lag verkrampft und starr. Ein charakteristisches Rauschen
kam auf, dann geriet der Schweber in mein Gesichtsfeld. Ich lag
so, dass ich ihn noch nicht einmal mit dem Blick durch Drehen
der Augäpfel verfolgen musste.
Er zog im Tiefflug Kreise über uns, dann verlor sich das
Rauschen in die Richtung, aus der er gekommen war.
Ich versuchte mich, so gut es ging, zu entspannen. Eine Minute
länger in der Haltung, und ein Krampf in den Rippen hätte mich
zu einer Bewegung gezwungen, die den sicheren Tod bedeutet
hätte.
„Leg dich bequem, aber ändere die Lage nicht sehr!“, raunte
ich. „Wir müssen noch eine Weile aushalten. Vielleicht
beobachten sie uns.“
„Ja“, hauchte Jes ergeben. Ich hatte den Eindruck, er würde
nunmehr alles tun, was ich ihm sagte. Ungeduldig wurde er nach
einer Stunde, in der sich absolut nichts tat, was auf Aktivitäten
der Fremdlinge hingedeutet hätte und ihrem Wesen entsprach,
etwas abzutun: Vier Menschen waren angekündigt, waren
gekommen, vier hatte man niedergemäht, basta!
Über uns tirilierten Lerchen, stiegen und fielen. Ganz in der
Nähe hoppelte ein Hase. Insekten krochen auf uns und in unsere
Kleider. Dennoch konnte ich mich lange nicht entschließen,
unsere Lage zu verändern.
Nach zwei Stunden krochen, robbten wir zum Flugzeug zurück.
Wir erreichten die Straße, auf der wir gelandet waren,
unbehelligt, schnellten uns dann in die Maschine, und wir flogen
mit Höchstgeschwindigkeit – so tief, dass der Eindruck entstand,
die Räder streiften die Wipfel der Bäume – zurück nach Ivalo.
Als Rangältester erstattete ich Meldung beim Stab. Mein Bericht
löste Bestürzung und Ratlosigkeit aus. Man fragte mich, was ich
meine, was man tun könne.
„Sie müssten spüren, dass wir vor ihnen keine Angst zu haben
brauchen, dass wir stark sind.“
„Also – Angriff!“
„Angriff! In vier Wochen kämpft bei ihnen die neue
Generation. Es werden viel mehr sein als jetzt.“
Nach weiteren vierzehn Tagen – ich war längst zu meiner
Einheit zurückgekehrt – spürte man, dass eine andere Lage
entstand. Neue, kampfstarke Truppen rückten an, in unserer
unmittelbaren Nähe nahm eine Pioniereinheit Stellung. Sie führte
motorisierte Pontons mit sich und Kähne.
Drei Wochen nach dem denkwürdigen Versuch, mit den
Gegnern ins Gespräch zu kommen, kam der Befehl
zum
Angriff.
Ich hatte den Sonderauftrag, mit einer kleinen Gruppe
unmittelbar im Kontakt mit den Frontoffizieren zu operieren,
aufzuklären und die Verbindung zum Stab zu halten.
    Der Angriff wurde herkömmlich geführt. Nach umfangreichen
Artillerievorbereitung, ab sechs Uhr, am fünfzehnten September,
wurde aus allen Rohren auf bekannte und vermutete Objekte des
Gegners gefeuert – auch unsere Werfer beteiligten sich –, was
die Rohre hergaben. Zwei Stunden später rückte die Front auf
der gesamten Breite vor.
Über uns hinweg zogen Flugzeuge, Staffel um Staffel.
    Ein regnerischer, trüber Tag war es. Dunst lag über dem

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