Falsche Väter - Kriminalroman
bersten schienen, und junge Männer,
die in den Mädchen keine exotischen Früchte mehr sahen, sondern ebenbürtige
Gleichgesinnte. Die Gaesdonck hatte sich zu einer Art Eliteschule gemausert,
und die Erinnerungen, die van de Loo mit sich herumtrug, hatten mit der Zeit
einen versöhnlichen Grundton angenommen und schmerzten nicht mehr.
Er hatte das Spargeldorf Kessel erreicht und bog in die Einfahrt zu
Theo Grossmanns Haus ein. Er setzte noch einmal zurück und blieb auf der Straße
stehen, um die Umgebung auf sich wirken zu lassen. Es war ruhig hier. Angenehm
ruhig. Der Weg zur Garage war von kleinen, sorgsam beschnittenen
Rhododendronbüschen gesäumt. Es ging leicht bergab, und man konnte das
Grundstück gut überschauen. Es hatte eine beachtliche Größe, aber das besagte
nichts, da Grund und Boden hier vor Jahren sicher spottbillig gewesen war.
Van de Loo parkte links neben den Ziersträuchern und stieg aus.
An der Hausfront hing ein efeubewachsenes Karrenrad, daneben waren
ausgediente Ackergeräte aufgereiht, und auf der Rasenfläche stand ein antiker
Pflug. Die Fensterbänke waren voller Blumen, in erster Linie Geranien. Ein
geflochtener Kranz hing an der Haustür, und im Inneren lag wahrscheinlich eine
Fußmatte mit der Aufschrift »Herzlich willkommen«.
Van de Loo war nicht wohl bei dem Gedanken, gleich der Witwe des
Mannes gegenüberzutreten, den er tot und verstümmelt in der Hütte hatte liegen
sehen. Er ging zur Haustür und drückte den Klingelknopf. Augenblicke später
wurde geöffnet.
Die Fußmatte im Innenbereich trug die Aufschrift »Come in!«, und die
Frau, die allem Anschein nach die Witwe von Theo Grossmann war, unterstrich
diese Aufforderung durch eine einladende Geste. Van de Loo streckte ihr die
Hand entgegen und sprach ihr sein Beileid aus. Im Wohnzimmer stand Gebäck auf
dem Tisch. Zwei Jugendliche saßen auf dem Sofa, Grossmanns Kinder, wie van de
Loo vermutete. Sie mussten beinahe in Katharinas Alter sein.
Verständlicherweise hatte ihre Mutter sie nicht zur Schule geschickt. Kaum
hatte van de Loo Platz genommen, machten sie sich aus dem Staub.
»Möchten Sie einen Kaffee?«
»Machen Sie sich meinetwegen keine Mühe«, sagte van de Loo.
»Das ist keine Mühe.«
Frau Grossmann ging in die Küche, und es dauerte nicht lange, bis
sie mit einem Tablett in den Händen zurückkam. Sie zitterte ein wenig, als sie
es auf dem Glastischchen abstellte, aber ihr hübsches Gesicht zeigte keine
Regung. Van de Loo wurde das Gefühl nicht los, dass sie eine Maske trug.
»Ich weiß wirklich nicht, was ich jetzt machen soll«, sagte sie,
nachdem sie die Tassen gefüllt hatte.
»So etwas braucht vor allem Zeit«, sagte van de Loo.
»Zeit habe ich aber nicht. Wie stellen Sie sich das vor? Es muss
sofort etwas geschehen!«
»Wie meinen Sie das?«, fragte van de Loo verwundert.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung vom Geschäft. Ich weiß nicht
einmal, wie viele Leute für meinen Mann gearbeitet haben.«
»Ach so«, sagte van de Loo, der allmählich begriff, worauf Frau
Grossmann hinauswollte.
»Vielleicht ist es das Beste, wenn der Betrieb sofort verkauft
wird.«
»Das ist sicher schwierig!«
»Ich traue den Leuten nicht. Das sind Fremde für mich. Deshalb
glaube ich ja, es muss jemand von außen kommen. Wie bei der Treuhand damals.
Jemand, der sich in solchen Dingen auskennt und das Ganze rasch über die Bühne
bringt. Der das abwickelt. Das ist doch das richtige Wort, oder?«
»Schon möglich«, sagte van de Loo und überlegte, wie er Frau
Grossmann am besten beibringen konnte, dass sie ihn verwechselte.
»Wissen Sie das denn nicht?«, fragte sie.
»Nicht so genau.«
»Aber am Telefon haben Sie gesagt, Sie würden sich in solchen Sachen
auskennen.«
»Tut mir leid …«
»… Ihr Beileid haben Sie bereits an der Tür ausgesprochen. Das werde
ich noch oft genug zu hören bekommen.«
»Tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss, Frau Grossmann. Aber
ich glaube, Sie verwechseln mich. Mit mir haben Sie jedenfalls nicht
gesprochen!«
»Wir haben nicht miteinander telefoniert?«, fragte Frau Grossmann
erschrocken. »Ja, wer sind Sie denn dann?«
»Ich heiße Conrad van de Loo.«
»Und was wollen Sie von mir?«
»Ich würde gern mit Ihnen reden«, sagte van de Loo, wobei er sich
bemühte, seiner Stimme einen warmen Ton zu geben.
»Die Polizei war schon hier und hat eine Menge Fragen gestellt! Ich
habe alles gesagt, was ich wusste.«
»Ich bin nicht von der Polizei«, sagte van de
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