Falsche Väter - Kriminalroman
Loo. »Ich bin ein
Bekannter des Mädchens, und deshalb möchte ich mit Ihnen sprechen.«
»Welches Mädchen denn?«
»Das Mädchen, mit dem Ihr Mann in die Hütte gefahren ist.«
Monika Grossmann schwieg.
»Frau Grossmann«, fuhr van de Loo fort. »Die Polizei hat Ihnen doch
sicher gesagt, dass Ihr Mann nicht alleine war und was in der Hütte vorgefallen
ist. Ich kann mir vorstellen, dass Sie in diesen Tagen vor allem an sich und
Ihre Zukunft denken. Aber ich bitte Sie, sich einen Augenblick in die Lage des
Mädchens zu versetzen. Sie hat Ihren Mann gerngehabt, und ich bin mir sicher,
dass sie ihn nicht umgebracht hat. Ich möchte herausfinden, wer der Mörder ist.
Deshalb bin ich hier.«
»Gerngehabt?« Monika Grossmann lachte kurz auf, dann brach sie in
Tränen aus.
»Entschuldigen Sie«, sagte sie, nachdem sie sich wieder gefasst
hatte. »Ich weiß im Augenblick wirklich nicht, wo mir der Kopf steht. Was kann
ich denn tun? Das Mädchen ist unschuldig, sagen Sie? Wie kann ich ihr denn
helfen?«
»Indem Sie so nett sind, mir ein paar Fragen zu beantworten«, sagte
van de Loo.
»Gut. Ich werde das tun. Ich werde Ihre Fragen beantworten. Moment.
Ich bin gleich zurück.«
Van de Loo hatte Zeit, sich im Wohnzimmer umzusehen, aber es gab
nichts, was ihn interessiert hätte. Nur die üblichen Familienfotos, einen
Kalender mit Luftbildern vom Niederrhein, eine Fingerhutsammlung und Regale,
gefüllt mit DVD s. Die wenigen
Bücher, vornehmlich Krimis, die in der Gegend spielten, sahen ungelesen aus.
Monika Grossmann kam ins Wohnzimmer zurück. Sie hatte sich die
Tränenspuren weggeschminkt, aber das Make-up war ihr nicht besonders gut
gelungen. Sie lächelte verlegen.
»Ich habe ihm immer gesagt, dass das kein gutes Ende nimmt«, sagte
sie, nachdem sie sich in einen Sessel gesetzt und die Beine
übereinandergeschlagen hatte. »Wer die Gefahr sucht, kommt darin um.«
»Was meinen Sie damit?«
»Na ja, vielleicht hat er ja noch mehr dummes Zeug angestellt, wenn
er besoffen war!«
»Sie meinen, er hat die Hütte verlassen, ist Auto gefahren oder
durch den Wald getappt?«
»Ich weiß nicht, was er gemacht hat. Ich möchte auch eigentlich gar
nichts Näheres darüber erfahren. Aber Sie. Was wollen Sie von mir wissen?«,
fragte sie tapfer.
»Hatte Ihr Mann Feinde?«
»Feinde? Nicht dass ich wüsste. Was in der Firma vor sich ging, weiß
ich natürlich im Einzelnen nicht. Aber ich hatte immer den Eindruck, dass mein
Mann keine Feinde, sondern zu viele Freunde hatte.«
»Man kann doch gar nicht genug Freunde haben«, wandte van de Loo
ein.
»Nur, wenn es richtige Freunde sind! Aber so war das nicht. Das
waren falsche Freunde. Menschen, die irgendetwas zu verbergen hatten, eine
Clique, an die ich nicht rankam. Sie kannten sich aus dem Studium. Wie das so
geht. Aber ich habe sie nie richtig kennengelernt. Vor Jahren habe ich Theo am
Vatertag einmal zur Hütte gebracht, weil sein Auto kaputt war. Da waren die
anderen schon da. Ich hatte sofort das Gefühl, dass ich störte, und bin bald
wieder gefahren.«
»Was haben Ihr Mann und seine Freunde denn in der Hütte gemacht?«
»Sie haben sich einmal im Jahr getroffen und dort übernachtet. Das
war Tradition. Da konnte kommen, was wollte. Theo hat immer gesagt, sie würden
sich gegenseitig Glück bringen. Die haben zusammengehalten wie Pech und
Schwefel, verstehen Sie. Jedenfalls nach außen. Irgendwann haben sie sich zum
Beispiel vorgenommen, nicht mehr zu jagen und nie mehr zu töten. Und dann haben
sie das eingehalten. Der Theo jedenfalls. Der ist nie mehr auf die Jagd
gegangen. So waren die.«
»Und wer gehörte alles zu diesem Freundeskreis?«
»Insgesamt waren sie zu viert, aber von den drei anderen kenne ich
nur zwei mit Namen. Der eine ist Johannes Winkens. Dem gehört die Hütte. Mischt
ganz schön in der Politik mit, ich habe sein Bild ein paarmal in der Zeitung
gesehen. Theo war immer ziemlich stolz darauf, ihn zu kennen und in die Hütte
zu können, wann immer er wollte. Der andere ist Hubert Moelderings. Der
betreibt einen Reitstall in der Nähe von Xanten. Ein windiger Typ. Kam mir
jedenfalls damals so vor.«
»Und was war mit Anna?«
»Wer ist Anna?«
»Das Mädchen, das mit Ihrem Mann in der Hütte war.«
»Heißt sie Anna?«
»Ja. Anna Lechtenberg.«
»Sehen Sie, das habe ich nicht gewusst. Den Namen habe ich noch nie
gehört. Und ich wusste auch nicht, dass Theo privaten Kontakt zu ihr hatte. Er
hat mir nie etwas davon erzählt. Ich dachte
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