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Falsche Väter - Kriminalroman

Falsche Väter - Kriminalroman

Titel: Falsche Väter - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann-Josef Schüren
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schieben.
    Und wenn es doch Zufall war? Die Hüttentür stand offen, und
irgendein gewaltgeiles Arschloch hat kurz mal reingeschaut, ob da jemand ist,
den er umbringen kann, was! (Peters, du spinnst jetzt!) So ein perverses
Schwein, wie es sie zu Hunderten in Amerika gibt, hat sich zufällig an unseren
schönen Niederrhein verirrt. (Mensch, was denke ich denn da! Ich mach mich doch
lächerlich!)
    Es darf kein Zufall sein, verdammt! Zufälle sind das Schlimmste! Man
hört automatisch auf zu denken. (Ich muss mich entscheiden. Anneliese macht das
auch, wenn ich gleichzeitig zwei Mäuse ins Terrarium setze.)
    Peters sah auf das Blatt Papier. Es war leer bis auf den Fragesatz,
den er zu Beginn notiert hatte. Er hatte nichts aufgeschrieben. Die Gedanken
waren kreuz und quer durch sein Hirn geflossen und hatten keine klare Spur
hinterlassen, nur ein schwammiges Gefühl.
    Peters nahm das Blatt, zerriss es in kleine Fetzen und warf sie in
den Papierkorb.
    * * *
    Der junge Paketdienstkurier hielt vor dem Haus mit der Nummer 28. Er
schaltete die Warnblinkanlage an und sah noch einmal auf den
Auslieferungsbogen. Dann steckte er sich eine Zigarette an, stieg aus und ging
um den Wagen herum. Er öffnete die Seitentür und kletterte in den Frachtraum.
Er fand die Sendung auf Anhieb. Sie war nicht allzu groß und auffallend leicht.
Er nahm das Päckchen mit einer Hand und kontrollierte die Anschrift. Dabei fiel
sein Blick auf die Schriftzeichen am Rand. Chinesisch, dachte er. Koreanisch
oder japanisch. Irgend so was.
    Vor einigen Wochen hatte er ein ähnliches Päckchen bei derselben
Adresse abgeliefert. Früher hatte er nur ganz selten eine exotische Sendung
dabeigehabt. Inzwischen war die Welt geschrumpft. Die Chinesen, Japaner und
Koreaner wohnten quasi in der Nachbarschaft. Bald würde es gar kein Ausland
mehr geben.
    Er ging mit der Sendung zur Haustür, drückte auf den Klingelknopf
und warf die Zigarette achtlos auf den Boden. Wenig später wurde geöffnet. Ein
hagerer Mann stand in der Tür. Er sah ihn nicht an.
    »Guten Tag«, sagte der Kurier.
    »Machen Sie das weg!«, sagte der Mann in der Tür.
    »Was denn?«
    »Die Zigarette.«
    »Welche Zigarette?«
    »Die Zigarette, die Sie gerade auf mein Grundstück geworfen haben!«
    »Entschuldigung«, sagte der Kurier. Er trat die Zigarette aus,
bückte sich und schob den Stummel in seine Jackentasche. Dann überreichte er
das Päckchen. Der Mann in der Tür unterschrieb, nahm das Päckchen, drehte sich
wortlos um und schloss die Tür.
    Der Kurier ging zum Auto zurück und kletterte auf den Fahrersitz.
    »So ein Arschloch!«, sagte er laut, steckte sich wütend eine neue
Zigarette an und sah zu, dass er wegkam.
    Der Mann hielt das Päckchen mit beiden Händen, hob es an die Nase
und schnüffelte daran. Erleichtert stellte er fest, dass kein Nikotingeruch
wahrnehmbar war. Dann ging er mit dem Päckchen durch das Haus, stieg eine
kleine Treppe hinunter, zog einen Vorhang beiseite und betrat seine Welt.
    Er stellte das Päckchen behutsam auf dem Boden ab und holte ein
Messer. Im Schneidersitz setzte er sich davor und konzentrierte sich auf die
Kordeln, mit denen es verschnürt war. Dann vollführte er blitzschnell drei
Schnitte und legte das Messer beiseite.
    Es war perfekt. Das Packpapier ließ sich mühelos auseinanderfalten.
Der Mann schob mit den Fingerspitzen die Holzwolle beiseite und nahm die
Teeschale mit äußerster Vorsicht heraus. Er drehte sie in den Händen und
betrachtete sie. Dann blies er den Staub ab, hielt sie gegen das Licht und
strich mit der Spitze des Zeigefingers über den Rand der Schale. Er war sehr
zufrieden mit seiner Wahl.
    Dann stand er auf und brachte die Schale zu dem kleinen Tisch. Er
stellte sie ab und nahm die andere Schale, die dort stand. Er trat in die Mitte
des hellen Raums und schloss die Augen. Seine Hände öffneten sich, und die
Schale zersplitterte vor seinen Füßen.
    Eine Weile stand er reglos da. Dann nahm er einen kleinen Besen,
fegte die Scherben sorgsam zusammen und schob sie auf ein Blatt Papier. Er ging
damit zu der dunklen Urne und schüttete die Scherben hinein.
    * * *
    Als van de Loo nach Hause kam, stand Tante Gertrud in der Küche. Sie
hatte einen Quast in der Hand, trug einen Hut aus Zeitungspapier und war von
oben bis unten mit Farbe beschmiert.
    »Wie siehst du denn aus?«, fragte van de Loo entgeistert.
    »Ich streiche Annas Zimmer, aber ich komme nicht an die Ecken ran.
Ich mag eigentlich Ecken und Kanten.

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