Falsche Väter - Kriminalroman
silberner Knopf in der Stupsnase. Sie
wirkte souverän, ohne dabei eine Spur von Überheblichkeit an den Tag zu legen.
»Mareike Fichte«, sagte sie und reichte Peters die Hand.
»Angenehm«, sagte Peters zu seiner eigenen Überraschung und musste
sich eingestehen, dass es tatsächlich angenehm war, die Hand dieser Frau in der
seinen zu spüren. Sie gefiel ihm auf Anhieb, auch wenn er es sich nicht
erklären konnte.
»Frau Fichte wird dir in nächster Zeit bei deinen Ermittlungen zur
Seite stehen«, sagte der Polizeipräsident.
»Das wird nicht nötig sein«, wehrte Peters wie gewohnt ab. »Ich
komme ganz gut allein zurecht.«
»Ich weiß. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das auf Dauer gut
für dich und den Rest der Mannschaft ist.«
»Hast du was an meiner Arbeit auszusetzen?«
»Es geht nicht um deine Arbeit. Die ist hervorragend, und du weißt
ganz genau, wie sehr ich sie schätze.«
»Willst du mir den Fall Grossmann entziehen?«
»Mensch, Carsten! Darum geht es doch nicht. Du bleibst an dem Fall
dran. Da fällt mir übrigens ein, dass du eine gewisse Frau Norden zurückrufen
sollst.«
»Worum geht es dann?«, fragte Peters unbeirrt.
»Meiner Meinung nach bist du zu viel allein. Du hängst da unten in
deinem Kellerloch herum, das kann auf die Dauer nicht gesund sein. Ich dachte,
eine frische Kraft würde dir guttun.«
»Kann sein«, sagte Peters. Er sah Mareike Fichte noch einmal an. Ihr
Blick war klar, beinahe durchdringend, und es kam ihm so vor, als würde sie
mehr sehen als andere Menschen. »Kann auch nicht sein.«
»Ich werde Sie nicht stören«, sagte sie.
»Frau Fichte hat übrigens vorletzte Woche geheiratet«, sagte der
Polizeipräsident und lächelte undurchschaubar.
»Glückwunsch!«, sagte Peters lächelnd.
Auch Mareike Fichte lächelte. Peters kam nicht dazu, dieses Lächeln
zu deuten, weil in diesem Augenblick jemand heftig an die Tür klopfte und sie
gleichzeitig öffnete. Es war Max Scheler. Er hatte ein rotes Gesicht, wie
immer, wenn er etwas Aufregendes erlebt oder mitzuteilen hatte.
»Das Mädchen war es tatsächlich nicht«, platzte er heraus.
»Das Mädchen ist eine junge Frau«, korrigierte Peters sofort.
»Auf jeden Fall war sie es nicht«, insistierte Scheler. »Und es
sieht ganz so aus, als wüssten wir, wer es stattdessen war!«
»Das wäre ein Sechser mit Superzahl«, sagte der Polizeipräsident.
»Jedenfalls haben wir einen Volltreffer gelandet!«, sagte Scheler.
»Wer ist denn getroffen worden?«, fragte Peters dazwischen.
»Die Leute von der Spurensicherung haben die Fingerabdrücke
abgeglichen, die sie in der Hütte und auf der Tatwaffe gefunden haben. Und
stellt euch vor: Ein alter Bekannter ist dabei. Der Mann wurde erst vor wenigen
Tagen aus der Haft entlassen. Er saß mehrfach wegen Körperverletzung ein. Er
heißt Karl Jaspers und steht in direkter Verbindung zu Anna Lechtenberg. Ein
Genabgleich hat ergeben, dass er ihr Vater ist. Er hatte ein klares Motiv, wir
haben den Täter!«
»Das wäre ein Wunder«, sagte Peters, wobei er selbst nicht wusste,
warum er dem Braten nicht traute.
»Es ist so«, blieb Scheler hartnäckig. »Jetzt müssen wir den Kerl
nur noch dingfest machen, und der Fall hat sich erledigt. Sollen wir ihn zur
Fahndung ausschreiben?«
»Natürlich«, sagte der Chef.
»Das volle Programm?«, wollte Scheler wissen.
»Klar. Leitet die Großfahndung ein. Dann haben wir auch gleich was
für die Pressefritzen. Und schickt die Sachen sofort per E-Mail an alle
Dienststellen und Kontaktleute. Habt ihr ein Bild?«
»Liegt schon für die Presse bereit«, sagte Scheler und verließ das
Zimmer. Er schien Mareike Fichte in der Aufregung gar nicht wahrgenommen zu
haben.
»Glaub ich nicht«, sagte Peters leise.
»Was glaubst du nicht?«, fragte der Chef.
»Ich glaube nicht, dass es das war. So einfach geht die Rechnung
bestimmt nicht auf.«
»Wie kommst du darauf?«
»Mein Gefühl sagt mir, dass der Fall komplizierter ist.«
»Ach was. Sei doch nicht immer so pessimistisch. Vielleicht ist Frau
Fichte für uns ja eine Art Glücksbringerin. Neue Besen kehren bekanntlich gut.«
Blödsinn, dachte Peters. Diese Frau Fichte hat noch nicht einmal
einen Kaffee gekocht, geschweige denn einen Besen in die Hand genommen!
Er verließ zusammen mit seiner neuen Kollegin das Büro des
Polizeipräsidenten. Ihre Schritte klangen selbstbewusst und wurden immer
lauter, je näher sie dem Raum kamen, in dem die Pressefritzen warteten.
Vor der Tür
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