Falsche Väter - Kriminalroman
legte.
»Tach«, sagte van de Loo.
Der Mann sah ihn aus trüben Augen an.
»Arbeiten Sie hier?«, fragte van de Loo.
Der Mann gab keine Antwort.
»Entschuldigung«, sagte van de Loo und wandte sich zum Gehen.
»Woröm?«, fragte der Mann. Er war kaum zu verstehen.
»Wie bitte?«
»Woröm?«, fragte der Mann noch einmal, nahm die Flasche und stellte
sie auf den Zaunpfahl. Dann holte er aus und schlug zu. Die Scherben spritzten
in alle Richtungen.
»Woröm ni?« Der Mann grinste.
Van de Loo hatte das Gefühl, es mit einem Geistesgestörten zu tun zu
haben, und sah zu, dass er wegkam. Auf dem Hofplatz winkte er Johanna und
Katharina zu, die mit drei jungen Katzen beschäftigt waren, und ging zur Tür
des Wohnhauses. Es gab keine Klingel, also klopfte er. Als sich nichts tat,
öffnete er die Tür. Er trat in einen langen Flur, blieb stehen und lauschte. In
einem Nebenraum hörte er eine Männerstimme, die offenbar ein Telefongespräch
führte. Es schien keine angenehme Unterhaltung zu sein, denn der Mann regte
sich ziemlich auf, wie van de Loo den Gesprächsfetzen unschwer entnehmen
konnte. Schließlich beendete er das Gespräch. »Scheißkerl!«, fluchte er laut.
Van de Loo klopfte erneut. Augenblicke später wurde die Tür
aufgerissen. Vor ihm stand ein Mann in engen Reiterhosen und Stiefeln.
Das also ist der Typ, dem Theo Grossmann nach Angaben seiner Frau
monatlich fünfhundert Euro überwiesen hat, dachte van de Loo. Dieser Mann
versucht, Johannes Winkens zu erpressen.
Moelderings hatte ein schmales Habichtgesicht mit einer auffallend
großen Nase. Für sein Alter sah er einigermaßen sportlich aus. Er hatte die
Fäuste geballt, als wollte er jeden Augenblick zuschlagen.
»Was machen Sie hier?«, fragte er schroff. »Wer hat Sie
reingelassen?«
Van de Loo merkte, dass Moelderings Mühe hatte, die Ruhe zu
bewahren. Das rechte Augenlid zuckte nervös, und ihm stand der Schweiß auf der
Stirn.
»Ich wollte mit Ihnen sprechen«, sagte van de Loo. »Eines der
Mädchen hat mich hergeschickt.«
»Wie oft muss ich denen noch sagen, dass ich niemanden im Haus haben
will«, maulte Moelderings. »Warten Sie draußen. Ich komme gleich.«
Er verschwand wieder in dem Zimmer, in das van de Loo einen kurzen
Blick werfen konnte. Er sah eine Holzplatte auf zwei Böcken, die als Tisch fungierte.
Daneben gab es noch einen Stuhl. Sonst nichts. Keinen Schrank. Keinen
Wandschmuck. Nichts.
Moelderings hatte sich eine Weste übergezogen, als er zu van de Loo
auf den Hofplatz kam. Er wollte die Haustür abschließen, aber es dauerte eine
ganze Weile, bis er den richtigen Schlüssel fand.
»Also. Was wollen Sie von mir?«
»Wir suchen nach einem geeigneten Reitstall«, sagte van de Loo.
»Wir?«
Van de Loo winkte Johanna und Katharina zu sich. Moelderings strich
sich das dünn gewordene Haar aus der Stirn, als die beiden näher kamen. Seine
Gestalt straffte und sein Gesicht entspannte sich. Der Anblick der Frauen
schien ihn milde zu stimmen.
»Haben Sie ein Pferd?«, fragte er.
»Noch nicht«, sagte van de Loo.
»Wollen Sie eins kaufen? Ich habe ein paar ruhige Tiere, ideal für
Anfänger. Ich kann Ihnen ein gutes Angebot machen.«
»Vielleicht«, wich van de Loo aus.
»Pferde sind wunderbare Geschöpfe«, fuhr Moelderings fort. »Absolut
friedlich und sehr treu. Wir Menschen können viel von ihnen lernen. Sie sollten
sich eines anschaffen.«
»Katharina wollte sich erst einmal umsehen. Sie hat noch nicht viel
Erfahrung mit Pferden gesammelt.«
»Noch nie geritten?«, fragte Moelderings und lächelte Katharina an.
»Nein.«
»Dann wird’s aber Zeit. Wie alt bist du denn?«
»Ich werde übernächsten Monat siebzehn«, antwortete Katharina.
»Schönes Alter«, sagte Moelderings. »Haben Sie etwas dagegen, wenn
ich Ihre Tochter kurz entführe?« Er wandte sich mit einem gewinnenden Lächeln
an Johanna. Van de Loo schien er vollkommen vergessen zu haben.
»Wenn Sie sie mir heil wieder zurückbringen«, sagte Johanna.
»Selbstverständlich«, sagte Moelderings. Dann wandte er sich an
Katharina: »Soll ich dir zuerst die Stallungen zeigen?«
»Warum nicht?«
Katharina ging mit Moelderings in Richtung der Ställe. Er hielt sich
dicht an ihrer Seite, und es sah fast so aus, als würde er jeden Augenblick
seinen Arm um ihre Schulter legen. Kurz bevor Katharina im Stall verschwand,
wandte sie sich noch einmal um.
»Soll ich hinterher?«, fragte van de Loo.
»Lass nur«, sagte Johanna. »Katharina kann gut auf
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