Falsche Väter - Kriminalroman
Jedenfalls bei Menschen. Aber in diesem
Fall brauche ich eine Treppenleiter.«
Van de Loo sah Tante Gertrud an. Vor ein paar Monaten war jemand von
der Krankenkasse da gewesen und hatte ihr nach einem ausführlichen Gespräch
»Pflegestufe 2« zuerkannt. Jetzt schien sie plötzlich überhaupt keiner Pflege
mehr zu bedürfen.
Van de Loo holte die Leiter aus der Scheune und brachte sie nach
oben. Er wollte Tante Gertrud gerade mit der Technik des Rollens vertraut
machen, als er das Telefon hörte.
»Bin gleich zurück«, sagte er, stürmte die Treppe hinunter und nahm
den Anruf entgegen.
»Ich habe gehört, dass Sie in den Mordfall Theo Grossmann verwickelt
sind«, sagte eine Männerstimme.
»Verwickelt ist wohl der falsche Ausdruck«, sagte van de Loo.
»Na ja, Sie haben auf jeden Fall damit zu tun. Soweit ich informiert
bin, waren Sie am Tatort. Zusammen mit dem Mädchen.«
»Na und?«
»Ich könnte Ihre Dienste brauchen.«
»Wer spricht denn da überhaupt?«
»Hat Ihnen das meine Sekretärin nicht gesagt?«
»Ich habe mit keiner Sekretärin gesprochen.«
»Ach so. Ja. Entschuldigung. Ich bin es gar nicht mehr gewohnt,
selbst eine Nummer einzugeben. Johannes Winkens am Apparat.«
Es hörte sich an, als müsste van de Loo augenblicklich strammstehen
oder wenigstens Haltung annehmen. Er tat nichts dergleichen.
»Muss ich Sie kennen?«, fragte er unbeeindruckt.
»Lesen Sie keine Zeitung?«
»Doch. Aber vornehmlich den Sportteil und die Todesanzeigen.«
»Jedenfalls passiert es mir nicht allzu oft, dass jemand, der in der
Gegend wohnt, nichts mit meinem Namen anfangen kann.«
»Wieso?«
»Ich werde, wenn nichts dazwischenkommt, im nächsten Jahr
Europaparlamentarier.«
»Vorzeitiger Ruhestand«, sagte van de Loo. »Mit garantierter
Sofortrente. Herzlichen Glückwunsch! Jetzt fällt mir übrigens ein, dass ich
Ihren Namen tatsächlich kenne.«
»Das ist ja beruhigend«, sagte Winkens lachend. »Wer einen nicht
kennt, der kann einen schließlich auch nicht wählen.«
»Sie sind der Besitzer der Hütte, in der Theo Grossmann ermordet
wurde.«
»Das stimmt. Unangenehm genug.«
»Für Grossmann oder für Sie?«
Einen Augenblick herrschte Schweigen, und van de Loo spürte, dass er
den richtigen Ton getroffen hatte.
»Theo war mein Freund«, sagte Winkens. »Wir kannten uns aus
gemeinsamen Studientagen in Aachen. War eine ziemlich wilde Zeit damals.«
»Kann ich mir denken«, sagte van de Loo.
»Er war ein wirklicher Freund. Und darum habe ich ein persönliches
Interesse daran, dass der Mord an ihm möglichst rasch aufgeklärt wird.«
»Die Kripo ist an der Sache dran«, sagte van de Loo.
»Die Kripo? Entschuldigen Sie! Die Kripo ist ein lahmarschiger
Beamtenhaufen. Die wurschteln vor sich hin und kommen keinen Zentimeter voran.
Außerdem sitzt denen die Presse im Nacken. Die will mit Informationen gefüttert
werden. Und so kommen Dinge ans Licht der Öffentlichkeit, die dort nichts zu
suchen haben. Ich habe keine Lust, mir von diesen Pimpfen ans Bein pinkeln zu
lassen! Ich habe meine Karriere schon während des Studiums vorbereitet. Junge
Union. Das war damals in Studentenkreisen nicht besonders angesagt, aber ich
habe auf die Zukunft gebaut und recht behalten.«
»Und jetzt?«
»Jetzt steht mein guter Ruf auf dem Spiel.«
»Und den soll ausgerechnet ich retten?«
»Ja«, sagte Winkens. »Jedenfalls könnten Sie dazu beitragen.«
»Und was soll ich tun?«
»Nachforschungen anstellen. Informationen sammeln. Und dabei vor
allem Diskretion wahren.«
»Haben Sie einen Verdacht oder einen Hinweis?«
»Ja.«
»Und Sie haben nicht mit der Polizei gesprochen?«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, was ich von diesem Haufen halte.«
»Na, dann schießen Sie mal los«, sagte van de Loo. »Ich bin ganz
Ohr.«
»Wir waren zu viert«, sagte Winkens. »Wir nannten uns das
›Kleeblatt‹. Jetzt ist Theo tot, und ein anderer von uns hat große finanzielle
Probleme. Er steckt bis zum Hals in der Scheiße, wenn Sie mir den Ausdruck
erlauben. Ich habe es kommen sehen. Er war schon immer ein Versager. Das Beste,
was er jemals in seinem Leben gemacht hat, war, seine Frau zu heiraten. Ich
habe nie begriffen, wie Jutta so dumm sein konnte. Na ja, Frauen. Reiterinnen
vor allem. Kommt aus gutem Haus, hat Geld und leider Gottes diesen
Pferdefimmel. Der Reiterhof ist ihr Werk. Sie hat das alles organisiert und
bezahlt. Tolle Frau! Seit der Scheidung geht es ihr besser und mit ihm immer
mehr bergab.«
»Von wem
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