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Falsche Väter - Kriminalroman

Falsche Väter - Kriminalroman

Titel: Falsche Väter - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann-Josef Schüren
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mit Lucky nachzuholen.
    Diesmal war das Pferd ruhiger, und Moelderings hatte kein Problem,
es zu satteln. Er setzte die Reitkappe auf, weil Mädchen auf dem Hofplatz waren
und er kein schlechtes Vorbild abgeben wollte. Grüßend hob er kurz die Hand an
die Kappe und ritt durch das Hoftor nach draußen.
    Obwohl er es ihm ausdrücklich verboten hatte, hatte Alfons die
Gatter geschlossen. Moelderings war zu faul, vom Pferd zu steigen. Deshalb ritt
er auf dem Zufahrtsweg bis zur Umgehungsstraße und bog von dort in den Reitweg
ein, neben dem der Nachbar einen Haufen mit Großballen aufgestapelt hatte. Die
Ballen erinnerten aus der Ferne an ein Haus ohne Türen und Fenster. Die hellen
Plastiküberzüge glänzten in der Spätnachmittagssonne.
    Moelderings starrte beim Näkerkommen angestrengt zu dem Strohhaus
hinüber. Er hatte etwas gesehen. Eine schnelle Bewegung, rechts neben den
Ballen, die ihn aufmerken ließ. Irgendetwas musste dort sein. Ein Schatten, der
sofort wieder in Deckung gegangen war.
    Moelderings behielt den Haufen im Auge, als er daran vorbeiritt. Es
war nichts mehr zu sehen, und er redete sich ein, dass es eine streunende Katze
oder ein Fuchs gewesen sein musste. Beruhigend klopfte er Lucky auf den Hals.
Als er ein Stück weitergeritten war, drehte er sich noch einmal um. Niemand war
zu sehen. Er musste sich geirrt haben.
    Wenig später ließ er die Zügel frei, und Lucky fiel augenblicklich
in Galopp. Moelderings spürte die ungeheure Kraft, die sein Pferd besaß, er
fühlte den Wind auf seinem Gesicht und hatte seit vielen Tagen zum ersten Mal
wieder das Gefühl von Freiheit. Er beugte sich weit über den Hals des Pferdes
und spürte die gleichmäßigen Bewegungen, die ihn vorwärtstrugen und
gleichzeitig mit seinem Pferd verbanden. Sie waren noch immer eine Einheit, und
für Augenblicke durchströmte Moelderings die Gewissheit, dass diese Einheit
unzerstörbar war.
    Erst als er in unmittelbarer Nähe des Rheins den Wendepunkt des
Ausritts erreichte, schlug seine Stimmung wieder um. Mit jedem Meter, den er
sich dem Gut näherte, ballten sich die Gedanken in seinem Kopf wie dunkle
Gewitterwolken zusammen.
    Er hatte auf der ganzen Linie versagt. Nicht nur im Studium. Auch
später. Er war nie ein guter Freund gewesen. Und seine Schuld war es gewesen,
dass er und Lucky es nicht geschafft hatten. Seinetwegen war Jutta gegangen.
Seinetwegen schimmelten die Stühle und Bänke in der Reiterstube vor sich hin.
Seinetwegen war Gut Moelderings bankrott. Und seinetwegen würde Lucky bald von
einem Händler auf einen Wagen geladen und an einen unbekannten Ort gebracht
werden.
    Moelderings blickte über die Wiesen und Stoppelfelder. Er hörte das
Brüllen der Kühe, die zum Melken in den Stall getrieben wurden, und einen
Traktor, der tuckernd über einen Feldweg fuhr. Irgendwo arbeitete jemand mit
einer Kettensäge. Die Maschine fraß sich heulend ins Holz. Kurze Zeit später
kamen die aufgeschichteten Großballen wieder in sein Blickfeld. Links daneben
streckte eine verkrüppelte Eiche ihre morschen Äste in die Luft. Und dann
bemerkte Moelderings erneut die schattenhafte Bewegung, die ihm schon auf dem
Hinweg aufgefallen war. Jemand musste sich hinter den Ballen verstecken. Das
war keine Katze oder ein Fuchs. Das war eindeutig ein Mensch!
    Sofort musste Moelderings an Winkens denken. Hatte der nicht nur den
unverschämten Kerl mit der Tochter vorbeigeschickt, die ihm mit ihrer Reiterei
die Zeit gestohlen hatte? War jetzt noch jemand gekommen, um ihm Angst
einzujagen und ihn von seinen Plänen abzubringen? War das eine Drohung?
Moelderings spürte, wie er wütend wurde. Er war fest entschlossen, der Sache
auf den Grund gehen, und ritt unbeirrt auf die Ballen zu. Er glitt aus dem
Sattel und führte Lucky die letzten Meter am lockeren Zügel. Die schattenhafte
Bewegung war auf der rechten Seite zu sehen gewesen. Moelderings ging links
herum, um den Mann zu überraschen. Als Lucky schnaubte, hielt er ihm die Hand
vor die Nüstern. Jetzt hatte er die Ballen erreicht. Für einen Augenblick blieb
er stehen und lauschte. Nichts. Kein Geräusch. Vorsichtig ging er weiter und
streckte den Kopf vor, um hinter die Ballen zu schauen.
    Im selben Augenblick traf es ihn. Es war ein gewaltiger,
wohlgezielter, tödlicher Schlag. Moelderings hatte nicht einmal mehr die Zeit,
schützend die Hände zu heben, und landete mit dem Gesicht auf der feuchten
Erde. Die Hand mit dem Zügel öffnete sich. Lucky wieherte schrill auf, stieg
auf

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