Falsche Väter - Kriminalroman
sich selbst
aufpassen.«
Van de Loo ging mit Johanna zur Reithalle. Zwei Mädchen drehten auf
dem sandigen Boden mit ihren Pferden ihre Runden. Die Zöpfe der Mädchen wippten
neckisch, und die großen Leiber der Pferde dampften. Aus den Nüstern der Tiere
strömten Atemwolken. Am Ende der Halle, etwas erhöht, war hinter Plexiglas die
ehemalige Reiterstube zu erkennen. Anscheinend wurde sie seit längerer Zeit
nicht mehr benutzt. Die Stühle standen umgedreht auf den Tischen und streckten
ihre verstaubten Beine in die Luft.
»Hier stimmt was nicht«, flüsterte Johanna. »Ich habe das Gefühl,
das ist alles Fassade. Dahinter schimmelt es und stinkt gewaltig zum Himmel.«
»Er ist nervös und hat eine Menge Probleme«, sagte van de Loo. »Er
steckt bis zum Hals in der Scheiße und versucht mit allen Mitteln, da wieder
rauszukommen.«
»Und er ist ein Vollidiot. Sein Beuteschema ist so verdammt
offensichtlich, dass einem richtig schlecht werden kann.«
»Beuteschema?«, fragte van de Loo.
»Hast du nicht mitgekriegt, wie er Katharina angeglotzt hat? Der ist
voll auf sie abgefahren. Wie ein Tier, das seine Beute ausgemacht hat.
Moelderings steht auf junges Gemüse. Ich wette, der kann die Finger nicht von
den Mädels lassen. Die meisten sind sicher bis über beide Ohren in ihn
verknallt.«
»Vielleicht hat seine Frau ihn deshalb verlassen.«
»Dann war sie klug. Er ist mir jedenfalls nicht geheuer.«
»Dann müsstest du erst mal den Stallknecht kennenlernen«, sagte van
de Loo. »Der kann einem richtig Angst einjagen.«
»Und was willst du jetzt machen?«, fragte Johanna.
»Mich weiter umsehen. Eindrücke sammeln. Nachher noch einmal mit
Moelderings reden.«
»Was ist denn eigentlich mit dem?«
»Er soll etwas mit dem Mord in der Hütte zu tun haben.«
»Das kannst du vergessen«, sagte Johanna.
»Warum?«
»Weil dieser Mann nicht fähig ist, einen Mord zu begehen. Der gibt
sich doch nur mit den Mädchen ab, weil er zu feige ist, sich auf eine
gestandene Frau einzulassen.«
»Außerdem versucht er, meinen Auftraggeber zu erpressen. Anscheinend
besitzt er Informationen über ihn, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen
sollen.«
»Dann hat also auch dein Auftraggeber etwas auf dem Kerbholz?«
»Ja. Alte Geschichten, die nicht wieder aufgewärmt werden sollen.«
»Es sind immer alte Geschichten, die den Leuten zu schaffen machen«,
sagte Johanna.
Moelderings und Katharina betraten die Reithalle. Er führte ein
Pferd am Zügel, plauderte vergnügt mit Katharina und half ihr in den Sattel.
Van de Loo hatte das Gefühl, dass er mit Absicht dafür sorgte, dass es nicht
auf Anhieb klappte. Endlich saß sie auf dem Rücken des Pferdes und blickte
stolz zu ihnen herüber. Moelderings nahm das Pferd am Zügel und führte es im
Schritt durch die Halle.
»Ihre Tochter ist begabt«, sagte er, als er an ihnen vorbeikam. »Und
vor allem hat sie keine Angst. Pferde spüren, wenn jemand Angst hat.«
Katharina machte tatsächlich keinen schlechten Eindruck. Sie hielt
die Zügel locker in der Hand und saß aufrecht, aber entspannt im Sattel.
Moelderings drehte ein paar Runden mit ihr, dann half er ihr wieder aus dem
Sattel und kam zu Johanna und van de Loo herüber. Das Pferd hielt er lässig am
Zügel.
»Hat es Spaß gemacht?«, fragte van de Loo.
»Und wie!«
Katharina schien wirklich begeistert. Moelderings übergab ihr die
Zügel, und sie führte das Pferd allein in den Stall zurück.
»Und? Was meinen Sie?«, fragte Moelderings.
»Ich meine, dass meine Tochter gut mit Tieren umgehen kann«, sagte
Johanna.
»Das kann man wohl sagen«, stimmte Moelderings zu. »Sie ist ein
geborenes Reittalent. Schade, dass sie nicht schon früher zu mir gekommen ist.«
»Als Ihre Frau noch da war?«, fragte van de Loo, um Moelderings aus
der Reserve zu locken.
»Was hat meine Frau damit zu tun?« Sofort ballte Moelderings wieder
die Fäuste.
»Sie fehlt«, sagte Johanna. »Man merkt es an allen Ecken und Enden.
Hat sie früher die Reiterstube da oben betrieben?«
»Ja. Nicht nur das. Mit ihr war tatsächlich alles viel leichter.«
»Übrigens: Einen schönen Gruß von Ihrem Freund Johannes Winkens«,
legte van de Loo noch einen drauf und sah genüsslich zu, wie Moelderings’
Gesichtszüge entgleisten.
»Was soll das heißen?«, fragte Moelderings. »Arbeiten Sie für ihn?
Oder hat er Ihnen etwas aufgetragen?«
»Nur dass ich Sie grüßen soll«, sagte van de Loo grinsend.
»Sprechen Sie ihn heute
Weitere Kostenlose Bücher