Falsche Väter - Kriminalroman
Nachmittag gaben die Ärzte grünes
Licht für eine Befragung. Mareike Fichte fuhr allein zum Gefängniskrankenhaus.
Peters wollte die junge Frau auf die Probe stellen. Jetzt konnte sie beweisen,
was wirklich in ihr steckte, und er wartete gespannt auf ihre Rückkehr und den
Bericht.
In der Zwischenzeit hatte er mit Werner Frege gesprochen und auf
diese Weise bereits einiges in Erfahrung gebracht. Dann hatte er sich Jaspers’
Personalakte aus der Justizvollzugsanstalt zukommen lassen. Schon bei
oberflächlicher Durchsicht hatte sich seine Überzeugung gefestigt, dass Jaspers
nicht Grossmanns Mörder war. Der Mann war nur zur falschen Zeit am falschen Ort
gewesen. Das Einzige, was man ihm vorwerfen konnte, war die Tatsache, dass er
seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen und geflüchtet war. Das war ein Fehler
gewesen, aber Peters konnte dieses Verhalten gut nachvollziehen.
Als Mareike Fichte von der Befragung zurückkam, legte sie das
Aufnahmegerät auf den Tisch.
»Willst du es hören?«, fragte sie.
»Nicht unbedingt. Eine Zusammenfassung genügt mir erst einmal. Wie
war es?«
»Ziemlich einfach. Jaspers war ziemlich kooperativ, und nach allem,
was ich gehört und gesehen habe, glaube ich nicht, dass er der Mörder ist. Er
wurde von Annas Mutter zur Hütte geschickt, angeblich damit er dort für ein
paar Tage unterschlüpfen konnte. Nach seinen Angaben stand die Hüttentür bei
seiner Ankunft offen. Er ist hineingegangen, und auf dem Tisch lag ein Gewehr.
Er hat es genommen, weil er das Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmte. Na ja,
sein Gefühl hat ihn nicht getrogen. Er hat im Nebenraum den toten Grossmann
gefunden, die Waffe in den Schrank zurückgestellt und ist getürmt.«
»Hätte ich an seiner Stelle auch gemacht«, sagte Peters lächelnd.
»Ich glaube, der Mann hat einfach nur Pech gehabt oder ist von seiner Ex
hereingelegt worden. Die beiden waren nicht besonders gut aufeinander zu
sprechen. Jaspers hat Sonja Lechtenberg geschlagen und sich nicht um sein Kind
gekümmert. Sie hat ihn im Gegenzug kein einziges Mal im Knast besucht. Und
schließlich kommt noch die Tatsache hinzu, dass er ausgerechnet zu einem
Vollzugsbeamten gefahren ist. Das hätte er bestimmt nicht getan, wenn er
Grossmann umgebracht hätte.«
»Und jetzt?«, fragte Peters.
»Jetzt stehen wir wieder am Anfang, ohne zu wissen, wo der Anfang
ist.«
»Was schlägst du vor?«
»Vielleicht sollten wir als Erstes mit Annas Mutter sprechen«, sagte
Mareike. »Am besten noch heute. Ich wüsste gern, wie sie das Zusammentreffen
mit dem Vater ihrer Tochter erlebt hat und ob sie ihn tatsächlich hereingelegt
hat. Außerdem ist das Protokoll ihrer ersten Befragung nicht besonders
ergiebig. Sogar ziemlich dürftig, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
»Sonja Lechtenberg ist allem Anschein nach ein etwas schwieriger
Fall!«
»Sind wir nicht dazu da, schwierige Fälle zu lösen?«
»Du hast recht«, sagte Peters. »Allerdings hat die Frau keinen
festen Wohnsitz. Die ist sicher nicht leicht zu finden. Sie kann überall und
nirgends sein.«
»Ich werde unterwegs die Kollegen vor Ort anrufen. Die Krefelder
kennen ihre Pappenheimer sicher ziemlich gut. Und vielleicht gibt es dort ja
auch Streetworker.«
»Bestimmt«, sagte Peters grinsend. »Schließlich wird überall in
Deutschland gebaut.«
»Dann also los«, sagte Mareike. »Wir fahren mit meinem Wagen. Bei
der Gelegenheit würde ich auch gern den Tatort inspizieren.«
»Wozu denn das?«
»Ich möchte mir einen genaueren Eindruck der räumlichen Umgebung
verschaffen. Vielleicht bringt es nichts, aber einen Versuch ist es allemal
wert. Ist schließlich kein großer Umweg, wenn wir Richtung Krefeld fahren.«
»Du bist verdammt hartnäckig«, sagte Peters.
»Klar«, sagte Mareike. »Können wir endlich?«
»Von mir aus«, brummte Peters.
Wenig später quetschte er sich in ihr Auto, einen kleinen flachen
Sportwagen, in dem Peters das Gefühl hatte, mit dem Hintern direkt auf der
Fahrbahn zu sitzen. Zudem war es ein Importauto aus England, und er saß auf der
falschen Seite. Als Mareike das Gelände des Polizeipräsidiums verließ, hatte er
ein mulmiges Gefühl. Er brauchte ein paar Kilometer, bis er sich an die neue
Perspektive gewöhnt hatte. Dann genoss er die Fahrt.
* * *
Hubert Moelderings war noch einmal in die Küche gegangen, um den
Anrufbeantworter zu kontrollieren. Als er sah, dass Johannes Winkens sich noch
immer nicht gemeldet hatte, beschloss er, den Ausritt
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