Falsche Väter - Kriminalroman
die Hinterbeine, warf sich herum und stürmte davon.
Der Schatten beugte sich über Moelderings, nahm dessen rechte Hand
und setzte das Messer an.
* * *
Erst als sie wieder zu Hause waren, stellte Katharina fest, dass sie
ihr Handy bei Moelderings liegen gelassen hatte. Sie hatte es auf einem
Strohballen vor der Pferdebox abgelegt, weil es sie beim Reiten störte.
»Und jetzt?«, fragte van de Loo.
»Ich brauch es zurück«, jammerte Katharina. »Da sind ziemlich
persönliche Sachen drauf!«
»Ich kann ja anrufen und Moelderings bitten, es uns zuzuschicken«,
schlug van de Loo vor.
»Dann bin ich ja mindestens zwei Tage ohne Handy«, rief Katharina.
»Außerdem liest der Moelderings bestimmt alle meine Nachrichten. Das will ich nicht!«
»Dann musst du in Zukunft eben besser aufpassen!«
»Fahr doch noch einmal hin«, schlug Johanna vor. »Hast doch bislang
sowieso noch nicht allzu viel herausgefunden, oder? Außerdem kriegst du die
Fahrten ja bezahlt.«
Van de Loo gab nach, war allerdings nicht besonders guter Laune, als
er in seinen Volvo stieg und losfuhr. Es war früher Abend. Die genaue Uhrzeit
wusste er nicht, und die großen Uhren der Dorfkirchen waren sich nicht einig.
Er kam an Rübenfeldern vorbei, die bald geerntet werden würden. Er sah
abgemähte Kornfelder, in Plastik eingeschlagene Strohballen, schier
undurchdringliche Maisfelder, in die Erntemaschinen ihre Schneisen schlugen.
Die Maschinen kamen ihm vor wie große, gierige Insekten, die über die Äcker
krochen, um alles aufzufressen, was ihnen vors Maul kam. Menschen und Tiere
waren diesen Monstern eindeutig unterlegen. Maschinen hatten das Land erobert.
Als van de Loo auf den Zufahrtsweg zu »Gut Moelderings« einbog,
hörte er ein Geräusch, das ihn irritierte. Er blickte in den Rückspiegel und
zuckte zusammen. Ein Pferd stürmte auf ihn zu. Es musste durchgegangen sein,
hatte Schaum vor dem Maul und schien ihn zu verfolgen, jedenfalls kam es im
gestreckten Galopp näher. Van de Loo überlegte, ob er Gas geben sollte, um der
Furie zu entkommen, dann entschied er sich anders. Er zog den Volvo nach
rechts, ganz nahe an die Pappeln heran, um den Weg frei zu machen, hielt an und
blickte über die Schulter. Erst sah es so aus, als würde der Gaul in seiner
Panik frontal gegen das Auto laufen oder versuchen, es mit einem gewaltigen
Satz zu überspringen. Dann erkannte das Pferd glücklicherweise die Lücke und
stürmte laut schnaubend links am Volvo vorbei.
Van de Loo atmete auf. Das Pferd hielt im Vollgalopp auf das Hoftor
zu. Sein Schweif peitschte die Luft, die Hufe wirbelten, und die losen
Steigbügel tanzten wie Marionettenfüßchen über dem Sattel. Als der Gaul
genügend Vorsprung hatte, fuhr van de Loo langsam weiter. Er sah, wie das Tier
den Hofplatz erreichte und mehrfach auf den Pflastersteinen ausrutschte.
Menschen liefen aufgeregt hin und her, hilflos mit den Armen rudernd.
Van de Loo stellte den Volvo ab und betrat den Hofplatz. Ein halbes
Dutzend Mädchen und eine Frau versuchten, das Pferd einzufangen. Sie hatten
einen weiten Kreis um das verängstigte Tier gebildet, das am ganzen Körper
zitterte. Immer wieder warf es den Kopf in den Nacken und trippelte panisch auf
der Stelle, die Augen weit aufgerissen.
»Wir müssen zusehen, dass er in die Reithalle kommt!«, rief die
ältere Frau. »Da ist er in Sicherheit und kann sich erst einmal beruhigen!«
Jemand stieß das Tor zur Reithalle auf, und van de Loo reihte sich
in den Kreis der Mädchen ein. Vorsichtig näherten sich alle dem Pferd, das noch
ein paar Pirouetten drehte, aber allmählich ruhiger wurde. Es senkte den Kopf
und schnaubte. Seine Flanken bebten, das Fell war schweißnass. Helle
Schaumflocken lösten sich vom Maul, flogen durch die Luft und landeten auf den
Pflastersteinen. Nach einer Weile trabte es tatsächlich in die Reithalle.
Der Stallknecht hatte währenddessen die ganze Zeit reglos auf einem
Strohballen gesessen. Statt zu helfen, hatte er Löcher in die Luft gestarrt.
Van de Loo ging zu ihm.
»Woröm?«, murmelte der Mann, nahm die Flasche, die zwischen seinen
Füßen stand, genehmigte sich einen kräftigen Schluck und schüttelte ratlos den
Kopf. »Woröm ni?«
Van de Loo hätte darauf wetten können, dass der Mann die Flasche auf
den Hofplatz warf, aber nichts geschah. Rasch betrat er den Stall. Die Pferde
mussten gerade gefüttert worden sein, denn sie waren, trotz der Aufregung auf
dem Hof, sehr ruhig. Katharinas Handy lag auf dem
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