Falsche Väter - Kriminalroman
Strohballen. Van de Loo
steckte es ein und schaute das Pferd an, auf dem sie vor zwei Stunden gesessen
hatte. Es betrachtete ihn neugierig, aber er hatte nicht den Mut, das Tier zu
streicheln, und ging auf den Hof zurück.
Die Frau, die beim Einfangen des Pferdes das Kommando geführt hatte,
war von aufgeregten Mädchen umringt. Sie gebärdete sich wie eine
Gutsbesitzerin.
»Leonie und Marie, ihr reitet jetzt den Weg ab und haltet nach Herrn
Moelderings Ausschau. Ich rufe in der Zwischenzeit die Polizei an«, sagte sie.
»Warum denn gleich die Polizei alarmieren?«, mischte sich van de Loo
ein. »Ist das nicht ein wenig voreilig?«
»Da ist was passiert«, sagte die Frau und sah van de Loo verächtlich
an. Aus irgendeinem Grund schien sie ihm übel zu nehmen, dass er ein Mann war.
»Und wenn Herr Moelderings irgendwo abgestiegen ist, um eine kleine
Pause zu machen? Vielleicht hat er dabei das Pferd nicht richtig angebunden,
und es ist getürmt. Wahrscheinlich ist er gerade zu Fuß auf dem Weg hierher.«
»Unmöglich«, sagte die Frau.
»Und warum?«
»Lucky würde das nie machen, der reißt nicht aus. Er kennt
Moelderings seit seiner Geburt. Die beiden sind Freunde, auch wenn Sie das
vielleicht nicht verstehen. Nie würde einer den anderen im Stich lassen!«
»Und wenn Moelderings vom Pferd gefallen ist und sich den Fuß
verstaucht hat?«, versuchte van de Loo es erneut.
»Hören Sie«, sagte die Frau. »Hubert Moelderings ist ein
hervorragender Reiter. Er wäre vor ein paar Jahren beinahe in die
Nationalmannschaft berufen worden, falls Sie das nicht wissen sollten. So ein
Mann fällt nicht einfach so vom Pferd! Da ist was passiert, da bin ich mir ganz
sicher!«
Die Frau wandte sich den beiden Mädchen zu, die mit ihren Pferden
bereitstanden. »Also los, Mädels! Worauf wartet ihr noch?«
Van de Loo hatte keine Lust auf weitere Diskussionen und wandte sich
zum Gehen. Er sah noch einmal zu dem merkwürdigen Stallknecht hinüber, der noch
immer am selben Platz saß. Eine Katze hatte es sich auf seinem Schoß gemütlich
gemacht. Es sah aus, als würde er sie streicheln wollen, aber plötzlich packte
er das Tier am Nackenfell, hob es in die Luft und schleuderte es in Richtung
des Misthaufens.
Als van de Loo vor seinem Volvo stand, hatte er große Lust, sich aus
dem Staub zu machen und schnurstracks nach Hause zu fahren. Er würde Winkens
anrufen und den beschissenen Auftrag zurückgeben. Was gab es denn
herauszufinden? Dass Hubert Moelderings nervös war? Dass sein Stallknecht
Flaschen zerdepperte und Katzen auf Misthaufen warf? Dass ein Pferd ausgerissen
war und gleich die Polizei eintreffen würde? Verdammt! Das hatte doch alles gar
nichts mit seinem dubiosen Auftrag und dem Mord an Grossmann zu tun!
Van de Loo stützte sich auf dem Dach des Volvos ab und blickte über
die Koppeln. Die Mädchen, die nach Moelderings suchen sollten, bogen gerade von
der Straße ab und näherten sich einem Haufen mit Großballen. Plötzlich zügelten
sie ihre Pferde und hielten an. Ein Mädchen schwang sich aus dem Sattel, rannte
aber wenig später wieder zu ihrem Pferd zurück.
Etwas stimmte da nicht. Die Frau schien recht gehabt zu haben, und
van de Loo machte sich auf den Weg, der Sache auf den Grund zu gehen. Kurz
danach kamen ihm die Mädchen auf ihren Pferden entgegen. Sie preschten an ihm
vorbei wie eine Vorhut der apokalyptischen Reiter; ihre Rufe und Schreie
vermischten sich mit dem wilden Getrappel der Hufe. Van de Loo ging weiter. Er
hatte gerade die Umgehungsstraße erreicht, als ein Streifenwagen auftauchte. Er
musste zufällig in der Nähe gewesen sein. Der Fahrer hatte das Blaulicht
eingeschaltet und hielt neben van de Loo.
»Wissen Sie, was hier los ist?«, fragte die Polizistin. Sie war
ziemlich jung und schob ihren Ellbogen durch das geöffnete Beifahrerfenster.
»Wahrscheinlich ein Verletzter«, sagte van de Loo.
»Dann sollten Sie einen Krankenwagen rufen«, sagte die Frau
lächelnd.
»Ich weiß doch gar nicht, ob er verletzt ist«, sagte van de Loo.
»Wer weiß denn was?«, fragte die Beamtin.
»Die Mädchen«, sagte van de Loo. »Sie sind gerade auf den Hof
geritten.«
Der Streifenwagen fuhr im Schritttempo auf den Hof zu. Besonders
eilig schien der Fahrer es nicht zu haben. Van de Loo setzte seinen Weg fort.
Angewidert betrachtete er den Müll, der im Straßengraben lag. Flaschen, halb
volle Tüten, leere Zigarettenpackungen, die achtlos weggeworfen worden waren.
Wenig später stand er vor
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