Falsche Väter - Kriminalroman
Beamte. Er war der Fahrer des Wagens
und sichtlich beeindruckt. Er hob kurz seine Hand an die Schirmmütze und kümmerte
sich mit seiner Kollegin um das Auto.
»Und Sie gehen mal zu den Gaffern«, wandte Mareike sich an den Rest
der Belegschaft. »Machen Sie ruhig ein wenig Rabatz, damit die Leute
verschwinden. Sonst kommen die womöglich noch näher und trampeln alle Spuren in
Grund und Boden. Der Krankenwagen kann übrigens auch abziehen! Es gibt hier
keine Kranken oder Verletzten. Der Wagen wird woanders sicher dringender
gebraucht!«
Peters war inzwischen zu der Leiche gegangen. Die Ärztin, die er
bereits bei Grossmann angetroffen hatte, kniete neben dem Toten und sprach
gerade in ihr kleines Aufnahmegerät. Sie war vollkommen in ihren Monolog
vertieft und bemerkte Peters nicht.
»Guten Abend, Frau Dr. Norden«, sagte er.
»Ach Sie!« Die Medizinerin blickte auf. »Warum haben Sie mich nicht
angerufen? Ich hatte doch ausdrücklich um einen Rückruf gebeten.«
»Das habe ich glatt vergessen«, sagte Peters.
»Das ist schade«, sagte Frau Norden. »Ich hatte nämlich noch eine
interessante Neuigkeit für Sie.«
»Und die wäre?«
»Theo Grossmann war krank. Todkrank. Er hatte Krebs im Endstadium.
Er hätte nur noch wenige Wochen gelebt, wenn er nicht ermordet worden wäre.«
Sie warf einen flüchtigen Blick auf Mareike Fichte. »Ihre neue Assistentin?«
»Kollegin«, sagte Peters.
»Mareike Fichte«, sagte Mareike, als sie sich zu den beiden
gesellte. Sie reichte Frau Norden die Hand. »Keine schönen Arbeitsbedingungen
hier, was?«
»Die kann man sich schließlich nicht aussuchen.«
»Was ist passiert?«
»Der Mann wurde erschlagen«, sagte Frau Norden.
»Könnte er nicht …« Peters sah zu der Eiche auf. Der unterste Ast
hatte die richtige Höhe für einen Mann auf einem Pferd.
»Unmöglich«, sagte Nora Norden. »Ich habe zuerst auch daran gedacht,
aber dieser Mann ist eindeutig erschlagen worden. Er wurde im Nacken getroffen.
Wenn es der Ast gewesen wäre, hätte er rückwärts reiten müssen. Mit ziemlichem
Tempo. Aber dann wäre er auch anders gefallen.«
»Fehlt ihm was?«, fragte Mareike.
»Sie sind gut«, sagte Frau Norden. »Der Mann ist tot! Ihm fehlt
sozusagen alles.«
»Ich meine: Fehlt ihm neben dem Leben sonst noch was?«
»Ja«, sagte die Ärztin. »Finger. Ich dachte zuerst, sie wären beim
Sturz vom Pferd abgerissen worden.« Sie nahm den Arm des Toten und hielt ihn
hoch, damit Peters und Mareike sich die Hand genauer anschauen konnten. »Wie
Sie sehen, fehlen Daumen und Zeigefinger. Allerdings wurden sie nicht
abgerissen, sondern abgetrennt. Ziemlich fachmännisch. Ich nehme an, der Täter
hat die Gliedmaßen mitgenommen oder sie liegen hier irgendwo im Dreck. Aber das
muss die Spurensicherung klären.« Sie ließ Moelderings Arm wieder auf den Boden
fallen.
»Sehen Sie Parallelen zu dem Toten in der Hütte?«, fragte Peters.
»Grossmanns Genitalien wurden verstümmelt«, sagte Nora Norden. »Hier
ist es die rechte Hand.«
»Mit dem gleichen Messer?«, fragte Peters.
»Das kann ich noch nicht sagen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob
ein Messer benutzt wurde. Es könnte auch ein Skalpell gewesen sein. Die exakten
Schnitte deuten darauf hin.«
»Glauben Sie, dass es sich um denselben Täter handelt?«, beharrte
Peters.
»Möglich wäre es.« Nora Norden sah ihn an. »Und wenn dem tatsächlich
so ist, werden wir uns in nächster Zeit noch häufiger sehen. Serientäter hören
in der Regel erst auf, wenn sie erwischt werden.«
»Sie trauen uns nicht viel zu«, sagte Peters. »Warum haben Sie ein
so negatives Bild von der Polizei?«
»Ich habe meine Erfahrungen«, gab Nora Norden zurück.
»Auf jeden Fall rufe ich Sie morgen an«, sagte Peters.
»Vergessen Sie es nicht wieder«, sagte Nora Norden. »Vielleicht habe
ich ja erneut eine Überraschung für Sie.«
Peters verließ mit Mareike den Tatort. Inzwischen waren auch die
Leute von der Spurensicherung eingetroffen, und der Polizeiwagen wurde aus dem
Dreck gezogen. Ein Reporter der Bildzeitung machte Aufnahmen.
»Die nächsten Tage können wir vergessen«, sagte Peters, als sie im
Auto saßen.
»Macht nichts«, sagte Mareike. »Ich arbeite gern.«
Sie fuhren zum Reiterhof. Zwei gesattelte Pferde standen auf dem
Hofplatz, und eine Gruppe von Mädchen scharte sich um eine ältere Frau. Die
meisten Mädchen hatten blasse, verheulte Gesichter.
»Guten Abend«, grüßte Mareike in die Runde. »Wir würden Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher