Falsche Väter - Kriminalroman
zum Spiel
nach Mönchengladbach gefahren.«
»Ja. Er hat eine Dauerkarte und sich sehr auf dieses Spiel gefreut.
Im Radio habe ich gehört, dass die Gladbacher verloren haben. Das ist schlimm!
Johannes hat dann immer ziemlich schlechte Laune. Gegen elf ist er nach dem
Freitagsspiel gewöhnlich spätestens wieder zu Hause. Aber er ist nicht
gekommen. Ich habe noch einen Film geguckt und bin dann ins Bett gegangen. Ich
nehme Schlafmittel, wissen Sie. Und heute Morgen habe ich gesehen, dass
Johannes gar nicht nach Hause gekommen ist. Sein Bett war unberührt. Das ist so
noch nie passiert. Sonst sagt er mir immer Bescheid, wenn er gezwungen ist,
irgendwo anders zu übernachten.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo er sein könnte?«
»Überhaupt nicht«, sagte Helga Winkens. »Das ist es ja! Er hätte
mich angerufen, wenn noch etwas Besonderes gewesen wäre. Das hat er immer
gemacht. Johannes hat mich stets auf dem Laufenden gehalten und nie etwas
hinter meinem Rücken gemacht. Und jetzt ist er plötzlich weg, nicht einmal auf
seinem Handy meldet er sich.«
»Haben Sie die Polizei informiert?«
»Die Polizei?«, fragte Helga Winkens entsetzt. »Johannes hat immer
gesagt, ich soll die Polizei aus dem Spiel lassen und stattdessen zu meinem
Psychotherapeuten gehen. Er hat gemeint, ich würde mir meine Angst nur einreden
und die meisten Dinge würden sich von allein klären. Damals, bei Archimedes,
war es ja auch so.«
»Wer ist denn das?«, fragte van de Loo.
»So hieß unser Hund«, sagte Frau Winkens. »Mein Mann hat ein Faible
für Philosophen.«
»Und was war mit Archimedes?«
»Der ist irgendwann weggelaufen. Ich hatte so entsetzliche Angst,
dass ich die Polizei alarmiert habe. Das waren nette Leute, sie wollten genau
wissen, was geschehen ist. Und in dem Augenblick ist Archimedes
zurückgekommen.«
»Ich glaube, diesmal ist es ernster«, sagte van de Loo. »Sie sollten
wirklich bei der Polizei anrufen und Ihren Mann als vermisst melden.«
»Und wenn er dann gerade wieder zurückkommt, wie Archimedes?«
»Dann haben Sie Glück gehabt«, sagte van de Loo.
»Können Sie das nicht für mich übernehmen?« Frau Winkens klang jetzt
geradezu flehentlich. »Sie können doch alles abrechnen, hat mein Mann gesagt.
Sie würden mir wirklich einen großen Gefallen tun.«
»Was halten Sie davon, wenn ich bei Ihnen vorbeikomme und wir
gemeinsam einen Kaffee trinken?«, fragte van de Loo. »Bei der Gelegenheit kann
ich mir gleich auch Ihre vielen schönen Dinge ansehen.«
Wie van de Loo es bei Grossmann gemacht hatte, fuhr er zuerst an
Winkens’ Betrieb vorbei. Er bog von der Bundesstraße ab, als er die
Förderbänder hinter den Büschen sah. Der Zufahrtsweg zur Kiesgrube war voller
Dreck, den die Lastwagen hinterlassen hatten. Van de Loo fuhr langsamer und
folgte der schmierigen Schmutzspur. Er kam zu einem großen Tor, das offen
stand. Das Schloss baumelte an einer Kette. Er fuhr weiter, an Containern
vorbei, in denen Arbeitsgeräte aufbewahrt wurden. Zwei Bauwagen dienten den
Arbeitern als Aufenthaltsräume.
Alles wirkte menschenleer und verlassen. Bagger und Raupenfahrzeuge
standen herum, und überall türmten sich Kiesberge. Sie waren geordnet: Die
Haufen mit den kleinen Steinen kamen zuerst, dann folgten die mit den größeren.
An der Seite lagen auch mehrere Haufen Sand.
Van de Loo fuhr an den Haufen vorbei und kam in die Verladezone. Ein
großer Sattelschlepper stand auf einer Waage; daneben waren Schaufellader
abgestellt. Und dann konnte van de Loo das Baggerloch sehen. Es war größer, als
er vermutet hatte, ein See, auf dem sicher irgendwann gesurft werden würde. Die
Ufer waren nicht bewachsen. Das Wasser war grün, die Wasseroberfläche still. Es
gab keine Tiere hier. Keine Enten oder Schwäne. Nichts. Nach Schließung der
Grube würde die Natur Jahre brauchen, bis sie sich das Terrain zurückerobert
hätte.
Wenig später entdeckte van de Loo den Wagen. Der Mercedes stand
ziemlich nah am Wasser, neben einem Förderband. Es schien, als müsste man ihm
nur einen kleinen Schubs geben, dann würde er hineingleiten in das grüne Wasser
und für immer versinken.
Van de Loo stellte den Motor ab, stieg aus und ging auf den Wagen
zu. Der Mercedes gehörte Johannes Winkens. Van de Loo hatte das Auto auf der
Beerdigung von Theo Grossmann gesehen, und das Nummernschild räumte letzte
Zweifel aus.
Die Türen standen offen. Als van de Loo das Wageninnere inspizierte,
sah er, dass der Bezug vom Fahrersitz entfernt worden
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