Falsche Väter - Kriminalroman
und Peters am »Nordbahnhof«
an. An der Tür hing ein Plakat, das für den Abend eine Lesung mit einem
Kriminalschriftsteller ankündigte. Peters und Mareike traten ein. Es war nicht
viel los. Ein Kellner war mit den Vorbereitungen für die Lesung beschäftigt.
»Tag«, sagte Peters. »Wohnt bei Ihnen eine gewisse Sonja
Lechtenberg?«
»Polizei?«, fragte der Mann.
»Warum fragen Sie?«
»Hört sich so an.«
»Ja«, sagte Mareike. »Wir sind von der Kripo Kleve. Würden Sie jetzt
die Frage meines Kollegen beantworten?«
»Sie wohnt hier. Allerdings nur vorübergehend.«
»Können wir sie sprechen?«
»Geht nicht. Die ist weggefahren.«
»Wann?«
»Vor einer halben Stunde ungefähr.«
»Und wo wollte sie hin?«
»Woher soll ich das wissen? Sie wurde angerufen. Das hat mir eine
Kollegin erzählt. Wenig später ist ein Taxi gekommen«, sagte der Kellner.
»Irgendetwas stimmte da nicht.«
»Wieso?«
»Keine Ahnung. Nur so ein Gefühl. Sie hatte es jedenfalls plötzlich
ziemlich eilig. Vielleicht sollten Sie die Taxi-Zentrale anrufen. Die können
Ihnen sicher mehr sagen.«
Mareike zögerte keine Sekunde. »Das muss eine längere Tour sein«,
sagte sie, nachdem das Gespräch beendet war. »Der Fahrer hat sich noch nicht
zurückgemeldet.«
»Und wohin ging die Tour?«, fragte Peters.
»Das weiß ich nicht. Die Frau von der Zentrale will gleich noch
einmal anrufen.«
»Können wir in der Zwischenzeit eine Kleinigkeit essen?«, fragte
Peters den Kellner, der sich die ganze Zeit nicht vom Fleck gerührt hatte.
»Selbstverständlich. Der Koch ist zwar noch nicht da, aber eine
Kleinigkeit geht auch ohne ihn. Soll ich Ihnen einen strammen Max machen?«
»Ja. Und zwei Kaffee bitte.«
Mareike und Peters setzten sich. Auf dem Tisch lagen Flyer herum,
die auf die Abendveranstaltung aufmerksam machen sollten. Peters sah sich einen
der Werbezettel genauer an.
»Und?«, fragte er, als der Kellner den Kaffee brachte. »Wie viele
Morde gibt es in diesem Buch, das heute Abend vorgestellt wird?«
»Bislang drei«, sagte der Kellner. »Aber ich bin noch nicht ganz
durch. Das muss ich bis heute Abend unbedingt schaffen. Wissen Sie, diese
Schriftsteller sind in der Regel ziemlich sensibel und empfinden es als
persönliche Beleidigung, wenn man ihre Bücher nicht gelesen hat!«
* * *
Als van de Loo auf dem Hof ankam, stellte er den Volvo ab und ging
in den Schuppen. Er hatte das Bedürfnis, irgendwo Ordnung zu schaffen. In
seinem Kopf herrschte ein ziemliches Durcheinander, und manchmal half es ihm,
als Gegenmittel wenigstens einen Teil der Außenwelt auf Vordermann zu bringen.
Er schob das Tor auf und schaute auf das Gerümpel, das sich im Laufe
der Zeit angesammelt hatte. Es war eine Menge Zeug, und die wenigsten Sachen
gehörten ihm oder Tante Gertrud. Das meiste hatten irgendwelche Freunde und
Bekannten untergestellt, die wussten, dass van de Loo Platz hatte. Natürlich
nur vorübergehend, wie alle versichert hatten, aber keiner hatte es bislang für
nötig befunden, seinen Krempel wieder abzuholen.
Van de Loo ging zu dem alten Hundertneunziger und sah ihn sich von
allen Seiten an. Er hatte ihn aus Nostalgiegründen gekauft, und seitdem
verrottete er auf dem Schrottplatz der Erinnerungen. Van de Loo schlug die noch
immer offen stehende Tür zu und nahm sich vor, den Wagen bei nächster
Gelegenheit zu entsorgen.
Er kletterte über einen Berg ausgemusterter Schulbänke, die Thomas
Küppersbusch angeschleppt hatte. Dahinter stand ein alter Küchenschrank, den
van de Loo sich noch nie richtig angeschaut hatte. Er war schon da gewesen, als
er mit Johanna und Katharina auf den Hof gezogen war. Es war das klassische
Modell, ein Unterteil mit zwei Türen und darüber der schmalere Aufbau. Auf dem
Schrank lagen zwei Kartons, gefüllt mit feucht gewordener, angeschimmelter
Wäsche. Van de Loo öffnete die unteren Schranktüren. Er hatte damit gerechnet,
auf altes Geschirr, Töpfe und Pfannen zu stoßen, aber so war es nicht. Ein
waagerechtes Brett teilte den Schrank in zwei Hälften. Auf dem Brett stand ein
Teller mitsamt Unterteller. Daneben lag Besteck, sorgsam aufgereiht. Sogar ein
Glas war da, vollkommen verstaubt. Alles wirkte wie absichtlich arrangiert.
Darunter sah van de Loo Kästchen, Schuhkartons, Schachteln, alle
sorgsam verschnürt. Eine Dose hatte ursprünglich Nürnberger Lebkuchen
enthalten. Er wollte sie gerade herausziehen, als er hörte, wie jemand den
Schuppen betrat. Es war Tante Gertrud. Sie kam
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