Falsche Väter - Kriminalroman
gespannt. Er
hörte, wie Helga Winkens mit einer Frau sprach. Die Beamtin schien gut geschult
zu sein, denn Frau Winkens’ Stimme klang schon nach den ersten Sätzen viel
ruhiger. Wenig später betrat die Polizeipsychologin das Wohnzimmer. Sie
lächelte milde und nickte van de Loo freundlich zu.
»Kriminalhauptkommissar Peters wartet auf Sie«, sagte sie.
»Ein Kommissar? Auf mich?«, fragte Helga Winkens erschrocken. »Warum
denn?«
»Nein, Frau Winkens, ich meinte nicht Sie. Sie können hierbleiben.
Hier in Ihrer vertrauten Umgebung. Und ich leiste Ihnen dabei ein wenig
Gesellschaft. Schön haben Sie es hier. Haben Sie die Möbel und Bilder selbst
ausgesucht?«
Van de Loo verabschiedete sich von den Damen. Er atmete auf, als er
an der frischen Luft war, und fuhr zum »Jägerhof«. Neben der Dorfstraße stand
ein ausgedienter Anhänger. Ein Altbauer versuchte Kartoffeln, Gemüse und Eier
an den Mann zu bringen. Er starrte van de Loo hinterher, als hätte er nie zuvor
ein Auto gesehen.
Van de Loo parkte vor der Schmiede, neben verrosteten Maschinen und
einem ausgedienten Traktor. Der Wirt nickte freundlich, als er den »Jägerhof«
betrat.
»Tach«, sagte van de Loo.
»Tach«, sagte der Wirt. Es musste am Abend eine größere
Feierlichkeit gegeben haben, denn er hatte eine Menge Gläser zu spülen. »Sie
habe ich aber lange nicht mehr hier gesehen.«
»Na ja«, sagte van de Loo. »Wann verirrt man sich schon mal in
dieses Kaff? Ist ja nicht gerade der Nabel der Welt. Aber ehrlich gesagt
gefällt es mir am Rand meistens besser als im Zentrum.«
Er ging zu dem runden Stammtisch hinüber, wo Mareike Fichte und
Peters Platz genommen hatten und ihre Kaffeetassen anstarrten. Er gab ihnen die
Hand und nahm ebenfalls Platz. Im selben Augenblick betraten ein paar junge
Männer die Gaststätte. Sie waren anscheinend aus dem Dorf, bestellten Bier,
machten einen ziemlichen Lärm und besetzten die Theke.
»Haben Sie ihn gefunden?«, fragte van de Loo.
Peters nickte.
»Und?«
»Es ist derselbe Täter. Jemand hat Winkens einen Beutel mit Steinen
um den Hals gebunden und ihn versenkt.«
»Sonst noch was?«
»Ja. Ihm wurde die Zunge abgeschnitten.«
»Dann kann er nicht mehr reden.«
»Das hätte er sowieso nicht mehr gekonnt.«
»Und jetzt? Gibt es schon irgendwelche Ergebnisse? Spuren am Tatort?
Hinweise auf den Täter?«
»So schnell geht das nicht«, sagte Peters und lächelte mitleidig.
»Es sollte aber schnell gehen«, sagte van de Loo. »Sonst passiert
womöglich noch mehr.«
»Der Meinung sind wir auch«, sagte Peters betont ruhig. »Aber das
braucht seine Zeit. Wir alle sind daran interessiert, dass der Spuk möglichst
bald ein Ende hat. Deshalb sitzen wir ja hier. Ich denke, wir sollten
zusammenarbeiten.«
»Gut«, sagte van de Loo. »Sie sagen mir jetzt alles, was Sie
herausgefunden haben. Und ich sage Ihnen, was ich denke. Mehr habe ich nicht.«
»Wir verfolgen eine Spur«, sagte Mareike Fichte.
»Und wohin führt die?«
»Zurück ins Jahr 1993. Zu einem Unfall mit Todesfolge. Wie es
scheint, haben alle drei Mordopfer in dem Auto gesessen. Sie waren schuldhaft
in das Geschehen verwickelt und haben Fahrerflucht begangen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Den ersten Hinweis haben wir durch Zufall gefunden«, sagte Mareike.
»Den Rest haben unsere Ermittlungen ergeben. Damals wurde ein Junge überfahren.
Er hieß Jens. Jens Gehlen. Sein Großvater hat den Unfall zufällig vom Fenster
aus beobachtet. Er konnte nicht helfen, aber der Tod des Jungen hat ihm keine
Ruhe gelassen. Er hat die Männer ausfindig gemacht. Jedenfalls zwei von ihnen.
Er hat ein Dossier angelegt und Drohbriefe verschickt.«
»Ist er der Täter?«, fragte van de Loo.
»Der Mann selbst kommt nicht in Frage. Er ist seit Jahren schwer
krank. Aber sein Sohn steht im Verdacht, die Arbeit seines Vaters fortgesetzt
zu haben.«
»Sie glauben, der Mann hat aus Rache gemordet?«, fragte van de Loo.
»Rache ist ein starkes Motiv. Aber schneidet jemand aus Rache an Leichen herum?
Wo ist der Mann jetzt?«
»Auf der Polizeistation in Düren«, sagte Peters. »Er wird gerade
befragt.«
»Verfolgen Sie noch eine andere Spur?«
»Ja. Wir sind schließlich nicht allein. Die ›Soko Kormoran‹, die
sich mit dem Fall beschäftigt, umfasst inzwischen mehr als dreißig Leute.«
»Haben Sie sich um Thomas Schelling gekümmert?«, fragte van de Loo.
»Wir haben ihn im Blick«, sagte Mareike. »Es hat ein wenig gedauert,
weil er nicht auf der
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