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Falsche Zungen

Falsche Zungen

Titel: Falsche Zungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Diele. Greta, neugierig, wie sie nun einmal war, spritzte davon.
    »Du hast es gut«, sagte Dankward, »ich kannte deine Freundin bisher ja nur oberflächlich. So was von originell und liebenswert! Im Gegensatz zu mir mußt du überglücklich sein!«
    Ich war verblüfft. »Na, du kannst dich doch am allerwenigsten beklagen ...«:, sagte ich.
    »Mein Gott, vor zehn Jahren hat es mir gefallen, wenn die Teenies in der ersten Reihe bei meinem Auftritt >echt süß< sagten. Aber inzwischen kann ich es nicht mehr hören. In unserem Alter will man einen geordneten Haushalt und ein geregeltes Liebesleben!«
    Bevor ich Gretas Gräte entfernt und mich von meiner Verwunderung erholt hatte, gesellte sich die Superköchin wieder zu uns. »Komische Schüler hast du«, sagte sie, »da wollte irgendeine Tussi den kranken Herrn Krebs aus meiner Wohngemeinschaft sprechen. Natürlich hab ich aufgelegt.« Ich zuckte zusammen: Bestimmt war es die besorgte Ursula, die mich ihrer Anteilnahme und Zuneigung versichern wollte! Ich wurde so böse auf Greta, daß Dankward ihr zu Hilfe kam: »Wenn Schüler so spät am Abend anrufen, dann ist das eine Unverschämtheit. Man darf diesen Kids noch nicht einmal den kleinen Finger reichen, sonst wird es rasch eine Selbstverständlichkeit, daß Lehrer zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar sind.«
    Greta drehte mir eine Nase, holte eine Flasche Sekt und schenkte ein. »Fisch will schwimmen!« behauptete sie und erschien mir reichlich überdreht. »Hast du dein Sexophon dabei?« fragte sie meinen Freund. »Wir könnten doch ein bißchen Musik machen!«
    Natürlich trug Dankward sein Instrument bei einer Essenseinladung nicht mit sich herum, aber er setzte sich unverzüglich an unser Klavier, tat so, als ob es ein Keyboard wäre, und fing an zu improvisieren. Neidisch stellte ich wieder einmal fest, daß mir das nicht gegeben war und auch keiner nach meiner Trompete fragte. Greta juckte es sichtlich in den Fingern, ich hatte Angst, daß sie von der Küche aus ihr Harmonium traktieren würde, um sich in Dankwards Rhythmen einzureihen. So weit ging sie zwar nicht, aber sie drohte: »Irgendwo liegt doch meine olle Blödflocke«, und nach kurzem Kramen in der Handschuhschublade fand sie ihre Flöte und legte los. So heißblütig und vital hatte ich Greta noch nie erlebt, außerdem hätte ich mir nicht träumen lassen, daß man auf einer Blockflöte etwas anderes als Hänschen klein spielen konnte.
    Als schließlich unsere Nachbarn mit dem Besen an die Wand klopften, mußte das Hauskonzert abgebrochen werden. Leider nahm Dankward dieses Signal nicht zum An-laß, sich davonzuschleichen. Greta öffnete die dritte Flasche Schampus. »Armes krankes Hascherl«, sagte sie und fuhr mir grob über den Kopf, der auf dem Küchentisch ruhte, »vielleicht solltest du dich schon mal hinlegen, du siehst reichlich welk aus.« - Dankward schaute zum ersten Mal an diesem Abend auf mich herunter, wobei er überrascht feststellte: »Früher hattest du mehr Haare.«
    Dann erzählte er von unserem ehemaligen Studienkollegen Franky, daß er eine Yamaha-Schule eröffnet habe und jetzt wegen Verführung einer Minderjährigen im Knast sitze. »Geschieht ihm recht!« rief Greta. »Für alte Knak-ker, die nach Frischfleisch gieren, kann ich nicht das geringste Verständnis aufbringen! In der Musikschule habe ich eine Kollegin, die man gelegentlich mit einem 18jährigen Waldhorn-Schüler im Café sitzen sieht ...« -Nun ging sie aber zu weit.
    »Wer hätte gedacht, daß du derart prüde und intolerant bist!« schrie ich. »Das ist derselbe Geist, der einen Vater des Mißbrauchs beschuldigt, wenn er mit seiner vierjährigen Tochter in der Badewanne planscht. Kennen wir doch aus der Zeitung, diese Spießer, die in den harmlosesten Beziehungen gleich Unmoral wittern!«
    »Der getretene Hund beißt zurück«, konterte Greta. Dankward sah mich verwundert an, dann erhob und verabschiedete er sich rasch. Ich war stinksauer, aber Greta triumphierte. »Ich glaube fast, daß ich ihn umgepolt habe«, sagte sie, »er hatte insgesamt viel mehr Interesse an mir als an dir.« Sollte sie sich ruhig einbilden, sie hätte eine Eroberung gemacht! Ich war jedenfalls froh, daß sie keine weiteren Anspielungen auf hübsche Schülerinnen machte. Seit meiner Referendarzeit hatte sie einen sechsten Sinn für meine geheimsten Träume entwickelt.
    Als ich am darauffolgenden Montag den Musikraum betrat, musterten mich meine Leistungskurs-Schüler mit neugieriger

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