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Falsche Zungen

Falsche Zungen

Titel: Falsche Zungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Töpfe ins Regal zurück.
    Wartend saß Greta am Küchentisch und las ihr Horoskop: »Die spontane Idee, die Sie am Freitag haben, sollten Sie sofort in die Tat umsetzen. Es wird sich für alle Beteiligten vorteilhaft auswirken.« Sie versank ins Grübeln. Offensichtlich überlegte sie sich noch vor dem Baden und Kochen eine spontane Idee für morgen.
    Freitag nachmittags betreute ich das Schulorchester, die älteren Kollegen waren mit einem günstigeren Stundenplan bedacht worden. Ich kam erst gegen sechs nach Hause und traf Greta beim Verwirklichen der astrologischen Aufgabe an. Sie putzte Silber, polierte Gläser und gab lächelnd zu, daß sie Besuch eingeladen hatte.
    »Wen?«
    »Sag ich nicht. Überraschung.« Es schien sich jedoch nicht um eine größere Abendgesellschaft zu handeln, denn sie hatte nur drei Fischbestecke herausgelegt.
    Als der Tisch gedeckt war, die Kerzen brannten und Greta sogar einige Kapuzinerblüten gefällig auf der lachsfarbenen Tischdecke verstreut hatte, kam der geheimnisvolle Besuch. Zu meiner Verwunderung war es Dankward.
    Er hatte seinen Pferdeschwanz mit einer schwarzen Samtschleife zusammengebunden, eine neue knackige Lederhose angezogen und sah ein wenig wie Karl Lagerfeld aus. Ganz gegen ihre sonstigen Gewohnheiten küßte Greta den Gast auf den Mund. Mir war nicht ganz wohl in meiner Haut, denn ich wußte absolut nicht, was sie im Schilde führte. Nach einem Glas Sherry bat sie zu Tisch.
    Auf Dankwards Serviette lag ein kleines Päckchen. »Für mich?« fragte er erstaunt. Greta nickte. Ich war gespannt, als er es auswickelte.
    »Was ist das?« fragte er. »Rasierwasser?«
    »Nein«, sagte Greta, »es ist Divine, das du genauso liebst wie ich.«
    Dankward schaute mich fragend an. Ich wurde feuerrot; da mich Greta stets im Blick hatte, konnte ich nicht erklärend an meine Stirn tippen. Mein Freund sprühte sich zaghaft etwas Parfüm auf den Ärmel und sagte höflich: »Wunderbar! Vielen herzlichen Dank!«
    Leider konnte der arme Dankward aus Gretas Verhalten auch weiterhin nicht klug werden, denn sie sprach die rätselhaften Worte: »Nun duften wir beide gleich, so wie du es dir gewünscht hast!« Dann begab sie sich in die Küche, um das Essen aufzutragen. Ich rannte hinterher.
    »Bist du verrückt geworden? Willst du den armen Kerl bloßstellen, nur weil er ein paar Tropfen von deinem Duft geklaut hat?« zischte ich und trat mit dem Fuß die Küchentür zu, damit Dankward uns nicht hören konnte.
    »Im Gegenteil«, sagte Greta, »es war ein ebenso spontaner wie genialer Einfall. Der arme Kerl ist einsam, lebt allein, sehnt sich nach Geborgenheit. Um dir näherzukommen, benutzt er mein Parfüm. Warum soll man nicht mal über seinen Schatten springen und ihm auf humorvolle und feine Weise demonstrieren, daß man keinerlei Vorurteile hat, sondern ihn versteht und mag .«
    Dankward und einsam! Fast jeden Monat hatte er eine neue Braut. Mit seinem Saxophon konnte er jede Frau aus ihrem Bett heraus- und in seines hineinlocken. Was sollte er davon halten, daß ihm Greta ein teures Damenparfüm schenkte und ihn zu einem Dinner for three einlud? »Er wird denken, du hast sie nicht alle .«
    Greta bettete den orangefarbenen chinesischen Zierkarp-fen und die gedünsteten Mandarinen auf eine ovale Platte und drückte sie mir in die Hand. Sie selbst folgte mit einer Schüssel voll glasierter Karotten. Zum Nachtisch gab es Rüblikuchen.
    »Wo gibt es solche großen Goldfische zu kaufen?« fragte Dankward andächtig.
    Greta schmunzelte. »Zu kaufen direkt nicht, aber im Schloßweiher tummeln sich Hunderte ... Was hast du eigentlich für ein Sternzeichen?«
    Das Thema war unverfänglich. Greta behauptete, sie habe in ihrem bisherigen Leben überhaupt nichts auf Horoskope gegeben, sei aber inzwischen eines Besseren belehrt worden. Seit sie im STERN ihr Wochenhoroskop lese, habe sie noch nie etwas Unzutreffendes entdeckt. Alles stimme haarklein, und sie richte sich in letzter Zeit nach den jeweiligen Empfehlungen oder Warnungen und fahre gut damit. Auch der heutige Abend, sagte sie und grinste Dankward herausfordernd an, sei auf diese Weise zustande gekommen. Sie tranken sich zu.
    Eine Gräte im Zahnfleisch sowie der Anblick des blankgesäbelten Fischgerippes wurden mir nach einiger Zeit unerträglich, und weil es kein anderer tat, trug ich eigenhändig das stinkige Geschirr in die Küche. Als Greta und Dankward mir schuldbewußt mit schmutzigen Schüsseln folgten, klingelte das Telefon in der

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