Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
Vom Netzwerk:
der Dritten, tätig.«
    Etwas wie Furcht trübte den Blick der jungen Frau, auch wenn sich das Lächeln in der unteren Gesichtshälfte tapfer hielt.
    Sie und ihre beiden Freundinnen steckten die Köpfe zusammen.
    Ein Wachmann mit Ohrhörer betrat die Bühne von rechts. Ich betrachtete versonnen die roten und ockerfarbenen Mosaikfliesen zu meinen Füßen.
    Alle drei Frauen standen auf und machten einen Schritt auf mich zu.
    »Was ist Ihr Anliegen?«, fragte die Schwarze mich.
    »Ist Mr. Shell da?«
    »Das habe ich Sie nicht gefragt.«
    »Soweit es Sie betrifft, ist mein Anliegen, zu Mr. Shell zu gelangen.«
    Niemand dort mochte mich.
    »Es tut mir leid, aber es gibt hier niemanden dieses Namens«, erklärte die Frau südamerikanischer Abstammung.
    »Dann gehe ich wieder.«
    Der Wachmann machte einen Schritt auf mich zu.
    In Erinnerung an meinen vergötterten Lieblingssohn zuckte ich mit der Schulter und wollte mich abwenden.
    »Verzeihung«, sagte die Asiatin.
    Mir fiel auf, dass alle drei Frauen gleich groß waren.
    »Ja?«
    »Betrifft Ihr Anliegen die Regents Bank?«
    »Nein«, sagte ich. »Mit ziemlicher Sicherheit nicht. Das hoffe ich jedenfalls.«
    »Was soll das heißen?«
    Ein weiterer Wachmann trat auf – von links.
    »Eine Frau ist möglicherweise von Mr. Shell bedroht worden. Und wir glauben, dass er Miss Sanderson kennt. Um diesem Hinweis nachzugehen, bin ich hergekommen.«
    »›Wir‹?«
    »Ich vertrete ein Konsortium, das einem zentralen Gremium berichtet, das an dem Wohlbefinden dieser Frau und den Aktivitäten von Personen mit Verbindung zu besagtem Mr. Shell interessiert ist.«
    Hochgestochene Sprache geht den Handlangern der Macht meistens unter die Haut.
    Einer der Wachmänner murmelte etwas in seinen linken Ärmel. Ich fragte mich, ob die Ohrhörer mit einem Sender an dem durchsichtigen grünen Empfangstisch verbunden waren.
    »Aber Sie sagen, dass es hier keinen Mr. Shell gibt?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte die Empfangsdame, die mich zuerst angesprochen hatte.
    »Dann hat man uns falsch informiert.« Ich wandte mich zum Gehen.
    »Sir?«, sagte die Schwarze. Sie hielt ein kleines kabelloses grünes Telefon an ihr linkes Ohr.
    »Ja?«
    »Gehen Sie bitte durch die Tür hinter dem Empfang, dort nehmen Sie den Fahrstuhl.«
    Ich blickte fragend zu der Tür.
    »Welche Etage?«
    »Er fährt nur in eine Etage.«
    »Wird Oscar Shell dort sein?«
    »Ich kann Ihnen nur mitteilen, was man mir gesagt hat.«
    Ich zögerte einen weiteren Moment. Ich hatte nicht erwartet, tatsächlich ins innere Heiligtum der Regents Bank vorgelassen zu werden. Ich hatte nur ein bisschen Unruhe stiften wollen. Aber da war ich, flankiert von zwei sterblichen Nachfahren des Zerberus, mir gegenüber drei moderne Sirenen.
    In Kenntnis des Mythos hätte ich besser das Weite gesucht.
    »Okay«, sagte ich.
    Die Südamerikanerin klappte einen Teil des halbrunden Tischs hoch, während die Asiatin mit einer Karte die Tür öffnete.
    Ich ging durch einen kleinen runden Raum, der vom Teppich bis zur Decke rot war, bis ich vor einem Fahrstuhl aus Onyx stand, dessen Tür sich offenbar eigens für mich automatisch öffnete.
    In der schwarzen Kabine gab es zwei Knöpfe, einen grünen und darunter einen cremefarbenen. Ich drückte auf den oberen, und kurz darauf begann der Lift seinen rasanten Aufstieg.
    Ungefähr acht Sekunden später kam die Kabine zum Stehen, und die Tür öffnete sich zu einem großen Raum, der eher an ein Wohnzimmer als ein Büro erinnerte. Der Boden war aus weißem Marmor, durch die Fenster am anderen Ende blickte man nach Osten in Richtung Long Island.
    »Verzeihen Sie, Sir«, sagte ein gut gebauter Weißer in einem olivgrünen Anzug.
    »Wofür?«
    »Ich werde Sie durchsuchen.«
    Er war groß genug und schätzungsweise Mitte vierzig. Wahrscheinlich ziemlich kräftig.
    »Nein«, sagte ich.
    Mildes Erstaunen kräuselte seine attraktiven Gesichtszüge.
    »Ich fürchte, ich muss darauf bestehen.«
    »Das sollten Sie auch – sich fürchten, meine ich. Denn ich bin ein durchgeknallter Spinner, und ich glaube nicht, dass Sie es mit mir aufnehmen können. Sie müssen es zumindest beweisen, ehe Sie zu sehen kriegen, was ich in der Tasche habe.«
    Das Gesicht des Leibwächters war sonnengebräunt. Seine Augen erweckten den Eindruck von Bildung – sowohl institutionell als auch auf der Straße vermittelter. Er hatte in seinem Leben viele Kämpfe gesehen, jedoch keinen in dieser erlesenen Atmosphäre erwartet.
    Ich bemerkte in der

Weitere Kostenlose Bücher